Mittwoch, 2. April 2008

Poetischer Wortschatz


– traumverloren –
( I )

"Amrei war unterdeß wie traumverloren dahin gegangen. Sie schaute wie fragend nach den Bäumen auf; die stehen so ruhig auf dem Fleck und die werden so stehen und auf dich niederschauen, Jahre, Jahrzehnte, dein ganzes Leben lang als deine Lebensgenossen; und was wirst du derweil erfahren!" – Aus: Berthold Auerbach [i. e. Moses Baruch Auerbacher (1812 – 1882)]: Barfüßele. Stuttgart, Augsburg: Cotta 1856.

"Droben am Fenster stand die Gräfin Savelli. Sie lauschte. Am vollen Ton erkannte sie unter allen Stimmen die ihres Enkels. 'Jugend!' lächelte sie, und traumverloren glänzten die dunklen Augen." – Aus: Lily Braun (1865 – 1916): Lebenssucher. München: Albert Langen 1915.

"'Weißt du noch, wie ich Ilse die Stiefel zuschnürte, als sie ein Kind war? Vor ihr auf den Knien, – nur damit sie sich nicht bücken sollte?' begann sie langsam, traumverloren. 'Dann pflegte ich ihren Mann zu Tode, – und nun läßt mir die Angst keine Ruhe, daß sie wieder in ihr Unglück rennt –' Sie ließ sich nicht beruhigen. Es war, als ob eine fixe Idee sie beherrschte." – Aus: Lily Braun (1865 – 1916): Lehrjahre. München: Albert Langen 1909.

"Wie traumverloren sitzt sie dort,
Spinnt an ihrem Silberrocken,
Die Spindel webt in einem fort
Und verstreut die Mondlichtflocken." – Aus:
Theodor Däubler (1876 – 1934): Das Nordlicht.
Florentiner Ausgabe. München, Leipzig: Georg Müller 1910.


"Ich fahre noch in meinem Sehnsuchtskahn hinüber,
In einem anderen ruht mein Weib wie traumverloren,
Nun werden aber ihre Augen immer trüber,
Ihr Lachen und ihr Sorgen scheinen tief erfroren!" – Aus:
Theodor Däubler (1876 – 1934): Nordlicht. Florentiner
Ausgabe. München, Leipzig: Georg Müller 1910.


"Er wußte, daß er in einer bestimmten Nachmittagsstunde sein Käthchen im Garten treffen würde. Dort suchte er sie auf und fand sie auf einer Bank unter einer Linde, mit einem Buch in der Hand, in dem sie nicht las. Sie hatte den Kopf gegen den Rücken der Bank gelehnt; traumverloren blickte sie in's Leere." – Aus: Hedwig Dohm: (1831 – 1919): Wie Frauen werden. Breslau: S. Schottlaender, Schlesische Verlags-Anstalt 1894.

"Raubthierwüthig jagt er durch das Zimmer,
Von den Schläfen tropft's ihm heiß und kalt,
Jubel wechselt mit der Qual Gewimmer,
Und er donnert, säuselt, kreischt und lallt.
Da – auf einmal steht er traumverloren,
Nur sein Fieberauge starrt und starrt:
Ist's ein Mensch, gleich ihm in Fleisch geboren,
Ist's ein Trugbild, das die Sinne narrt? –" – Aus:
Felix Dörmann (1819 – 1895): Sensationen. Wien 1892.


"Die vierzehn Tage bis Weihnachten gingen wie im Fluge dahin. Beide Schwestern hatten alle Hände voll zu thun. Neben den Berufsarbeiten sollten noch Weihnachtsgeschenke für zu Haus und gegenseitige kleine Ueberraschungen angefertigt werden. Und dabei kam Lotte nicht von der Stelle. Die Glieder waren ihr schwer wie Blei, und wie zerschlagen schlich sie umher. Bei der Arbeit sanken ihr die Hände traumverloren in den Schoss." – Aus: Dora Duncker (1855 – 1916): Großstadt. Berlin: Richard Eckstein Nachf., H. Krüger 1900.

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HELMUT ZEH

† 1. Juli 2005

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