Sehnsucht

Dienstag, 19. August 2008

Die Wolken warten ohne Flucht

von Max Dauthendey (1867 – 1918)

Die Wolken warten ohne Flucht,
Der Wasserfall zischt aus der Schlucht.
Grasblüten zittern im Morgenhauch.
Gedanken, wie der blaue Rauch,
Sie eilen hin zum Meeresrand.

Der Sehnende lebt ohne Land,
Wie die Wolke im Leeren hängt,
Wie der Wasserfall eingezwängt.
Er bebt empfindlich wie zartes Gras.
Und wie der Meeresspiegel blaß,
Sucht ruhlos atmend er die Ruh'.
Sein Lächeln deckt Abgründe zu.

(Tosari, 23. März 1918)

Freitag, 13. Juni 2008

Aber öffne . . .

von Maria Luise Weissmann (1899 – 1929)

Aber öffne nur die Türe,
Aber tritt nur auf die Schwelle,
Hebe kaum den Blick und spüre
Schon die ungeheure Helle,
Schon den Glanz der leeren Räume,
Die wie Wiese rasch erblühten,
Schon den Tanz der schweren Träume,
Die sich hoben, die erglühten . . .
Zärtliche beschwingte Welle,
Sieh, kein Lufthauch, der nicht rühre – –
Aber tritt nur auf die Schwelle,
Aber öffne nur die Türe!

Montag, 2. Juni 2008

Leben heißt Sehnsucht verehren

von Max Dauthendey (1867 – 1918)

Über den leeren mächtigen Bäumen
Hängen die schmächtigen Sterne,
Umdrängen den Mond im Kreise.
Sehnsüchte leben auch in den prächtigen Himmelsräumen,
Und auch Gestirne kommen aus ihrem Geleise.
Keine Sonne, kein Stern kann sich der Sehnsucht erwehren,
Alle Leben leiden und lachen auf gleiche Weise.
Leben heißt Sehnsucht verehren;
Niemals der Tod, die Geliebte allein kann dir Ruhe bescheren.

Sonntag, 3. Februar 2008

Sehnsucht

von Max Dauthendey (1867 – 1918)

Ihre Arme umschlingen den Mondenschein
Und ringen nach den Sternen,
Die Augen wühlen sich in die Nacht,
In kalte leblose Fernen.
Und es umkrallt die bettelnde Hand
Den tauben Stein, den toten Sand,
Zermalmt von verzweifeltem Sehnen.
Ertrinkend in Sehnsucht und Tränen.

Samstag, 2. Februar 2008

Sehnsucht

von Peter Altenberg (1859 – 1919)

Sie spürte es schon lange, daß etwas "nicht ganz in Ordnung" sei.
Sie wußte nicht, was?! Ja, sie wünschte es eigentlich nicht, es je zu wissen. Wozu?! Kann man es denn ändern?!
Oder s o l l man, d a r f man?!
Da fand sie in seinem geheimen Notizbuch einen Namen, eine Telephonnummer, eine Adresse, eine Chiffre.
Da schrieb sie unter d i e s e r Chiffre einen Brief, und zerriß ihn sogleich wieder: "pfui, Seele, so etwas tut man doch nicht, Seele!"
Es blieb also ihr süßes schreckliches Geheimnis, daß sie es w u ß t e,
s p ü r t e, Tag und Nacht, und i m m e r !
Nur, wenn er auf Landpartien vor einem Wiesenstrauche, vor einem schönen Blütenbaume stillstand, für Minuten, so ganz versunken, da fühlte sie: "Er denkt an s i e ! Schrecklich!"

Dienstag, 15. Mai 2007

Sehnsucht nach der Sehnsucht

von Kaspar Hauser [i. e. Kurt Tucholsky (1890 – 1935)]

Erst wollte ich mich dir in Keuschheit nahn.
Die Kette schmolz.
Ich bin doch schließlich, schließlich auch ein Mann,
und nicht von Holz.

Der Mai ist da. Der Vogel Pirol pfeift.
Es geht was um.
Und wer sich dies und wer sich das verkneift,
der ist schön dumm.

Denn mit der Seelenfreundschaft – liebste Frau,
hier dies Gedicht
zeigt mir und Ihnen treffend und genau:
es geht ja nicht.

Es geht nicht, wenn die linde Luft weht und
die Amsel singt –
wir brauchen alle einen roten Mund,
der uns beschwingt.

Wir brauchen alle etwas, das das Blut
rasch vorwärtstreibt –
es dichtet sich doch noch einmal so gut,
wenn man beweibt.

Doch heller noch tönt meiner Leier Klang,
wenn du versagst,
was ich entbehrte öde Jahre lang –
wenn du nicht magst.

So süß ist keine Liebesmelodie,
so frisch kein Bad,
so freundlich keine kleine Brust wie die,
die man nicht hat.

Die Wirklichkeit hat es noch nie gekonnt,
weil sie nichts hält.
Und strahlend überschleiert mir dein Blond
die ganze Welt.

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HELMUT ZEH

† 1. Juli 2005

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