Galgenlieder

Samstag, 6. Oktober 2012

Die Unterhose

von Christian Morgenstern (1871 – 1914)

Heilig ist die Unterhose,
wenn sie sich in Sonn und Wind,
frei von ihrem Alltagslose,
auf ihr wahres Selbst besinnt.

Fröhlich ledig der Blamage
steter Souterränität,
wirkt am Seil sie als Staffage,
wie ein Segel leicht gebläht.

Keinen Tropus ihr zum Ruhme
spart des Malers Kompetenz,
preist sie seine treuste Blume
Sommer, Winter, Herbst und Lenz.

Samstag, 27. März 2010

Die Mausefalle

von Christian Morgenstern (1871 – 1914)

1.

Palmström hat nicht Speck im Haus
dahingegen eine Maus.

Korf, bewegt von seinem Jammer,
baut ihm eine Gitterkammer.

Und mit einer Geige fein
setzt er seinen Freund hinein.

Nacht ist's und die Sterne funkeln.
Palmström musiziert im Dunkeln.

Und derweil er konzertiert,
kommt die Maus hereinspaziert.

Hinter ihr, geheimer Weise,
fällt die Pforte leicht und leise.

Vor ihr sinkt in Schlaf alsbald
Palmströms schweigende Gestalt.

2.

Morgens kommt v. Korf und lädt
das so nützliche Gerät

in den nächsten, sozusagen,
mittelgroßen Möbelwagen,

den ein starkes Roß beschwingt
nach der fernen Waldung bringt,

wo in tiefer Einsamkeit
er das seltne Paar befreit.

Erst spaziert die Maus heraus,
und dann Palmström, nach der Maus.

Froh genießt das Tier der neuen
Heimat, ohne sich zu scheuen.

Während Palmström, glückverklärt,
mit v. Korf nach Hause fährt.

Mittwoch, 15. Juli 2009

Die zwei Wurzeln

von Christian Morgenstern (1871 – 1914)

Zwei Tannenwurzeln groß und alt
unterhalten sich im Wald.

Was droben in den Wipfeln rauscht,
das wird hier unten ausgetauscht.

Ein altes Eichhorn sitzt dabei
und strickt wohl Strümpfe für die zwei.

Die eine sagt: knig. Die andre sagt: knag.
Das ist genug für einen Tag.

Dienstag, 8. April 2008

Die beiden Esel

von Christian Morgenstern (1871 – 1914)

Ein finstrer Esel sprach einmal
zu seinem ehlichen Gemahl:

"Ich bin so dumm, du bist so dumm,
wir wollen sterben gehen, kumm!"

Doch wie es kommt so öfter eben:
Die beiden blieben fröhlich leben.

Mittwoch, 20. Februar 2008

Das Problem

von Christian Morgenstern (1871 – 1914)

Der Zwölf-Elf kam auf sein Problem
und sprach: 'Ich heiße unbequem.
Als hieß ich etwa Drei-Vier
statt Sieben – Gott verzeih mir!'

Und siehe da, der Zwölf-Elf nannt sich
von jenem Tag ab Dreiundzwanzig.

Montag, 1. Oktober 2007

Unter Zeiten

von Christian Morgenstern (1871 – 1914)

Das Perfekt und das Imperfekt
tranken Sekt.
Sie stießen aufs Futurum an
(was man wohl gelten lassen kann).

Plusquamper und Exaktfutur
blinzten nur.

Dienstag, 31. Juli 2007

Das Warenhaus

von Christian Morgenstern (1871 – 1914)

Palmström kann nicht ohne Post
leben:
Sie ist seine Kost.

Täglich dreimal ist er ganz
Spannung.
Täglich ists der gleiche Tanz.

Selten hört er einen Brief
plumpsen
in den Kasten breit und tief.

Düster schilt er auf den Mann,
welcher,
wie man weiß, nichts dafür kann.

Endlich kommt er drauf zurück,
auf das:
"Warenhaus für Kleines Glück".

Und bestellt dort, frisch vom Rost
(quasi):
ein Quartal – "Gemischte Post"!

Und nun kommt von früh bis spät
Post von
aller Art und Qualität.

Jedermann teilt sich ihm mit,
brieflich,
denkt an ihn auf Schritt und Tritt.

Palmström sieht sich in die Welt
plötzlich
überall hineingestellt . . .

Und ihm wird schon wirr und weh . . .
Doch es
ist ja nur das – "K.W.G."

Dienstag, 24. Juli 2007

Philanthropisch

von Christian Morgenstern (1871 – 1914)

Ein nervöser Mensch auf einer Wiese
wäre besser ohne sie daran;
darum seh er, wie er ohne diese
(meistens mindstens) leben kann.

Kaum, daß er gelegt sich auf die Gräser,
naht der Ameis, Heuschreck, Mück und Wurm,
naht der Tausendfuß und Ohrenbläser,
und die Hummel ruft zum Sturm.

Ein nervöser Mensch auf einer Wiese
tut drum besser, wieder aufzustehn
und dafür in andre Paradiese
(beispielshalber: weg) zu gehn.

Sonntag, 8. Juli 2007

Die beiden Esel

von Christian Morgenstern (1871 – 1914)

Ein finstrer Esel sprach einmal
zu seinem ehlichen Gemahl:

"Ich bin so dumm, du bist so dumm,
wir wollen sterben gehen, kumm!"

Doch wie es kommt so öfter eben:
Die beiden blieben fröhlich leben.

Donnerstag, 28. Juni 2007

Neue Bildungen, der Natur vorgeschlagen:

von Christian Morgenstern (1871 – 1914)

Der Ochsenspatz
Die Kamelente
Der Regenlöwe
Die Turtelunke
Die Schoßeule
Der Walfischvogel
Die Quallenwanze
Der Gürtelstier
Der Pfauenochs
Der Werfuchs
Die Tagtigall
Der Sägeschwan
Der Süßwassermops
Der Weinpintscher
Das Sturmspiel
Der Eulenwurm
Der Giraffenigel
Das Rhinozepony
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HELMUT ZEH

† 1. Juli 2005

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