Samstag, 4. Juli 2009

Mein ABC

von Otto Julius Bierbaum (1865 – 1910)

(An Frau Gutheil-Schoder in Verehrung und Dankbarkeit.)

A

Arbeitstag,
Pendelschlag,
Ackermühe, Ackerglück,
Furche hin, Furche zurück:
Wer das versteht,
Hat sich Frieden gesät.

B

Baumeister sei, wer du auch bist;
Der Bauherr Gott gab dirs Gerüst
Und was zum Baue nötig ist.
In dir und um dich liegts bereit.
Hast etwa vierzig Jahre Zeit:
Nun baue dich empor:
Schiff und Umgang, Turm und Thor.
Ich hoffe, du bist nicht so gemein,
Willst mehr als Stall und Scheune sein.

C

Cicero, ein Biedermann,
Catilinan gar nicht leiden kann;
Cäsar sieht sich beide an
Und denkt: die kamen wie gerufen:
Ich will steigen, da sind die Stufen.

D

Damen hab ich viel gesehn,
Schöne und gescheidte,
Nach Frauen mußt ich auf die Suche gehn,
Und oft ins Weite.

E

Ernstlich, ehrlich, ehrerbietig, eigen:
Wer die vier E ins Schild sich setzen kann
Und sie in Wort und Thaten zeigen:
Der ist ein Mann.

F

Feigheit und Neid, das schlimmste Paar,
Vom Teufel eingesegnet:
Laß sie nicht ein,
Bleib ihrer rein,
Und was dir auch begegnet!

G

Glück suchst du, das von außen kommt?
Das ist ein Glückwunsch, der nie frommt.
In dir liegt Gold! Leg nur die Ader bloß!
Sei auch die Ader klein, des Findens Glück ist groß.

H

Hurra rufen, ist das Tapferkeit?
Ist der der kühnste, der am lautsten schreit?
Wer fest die Zähne aufeinanderbeißt
Und drum nicht schreien kann,
Das ist der Mann,
Der Feindesfahnen sicher an sich reißt.

I

Irdisches Jammerthal, – jämmerlich Wort!
Die es hier rufen,
Jammern sicher auch einmal dort
An des Ewigen Stufen.

J

Jubilate heißt jeder Tag,
Auf dem der Arbeit Segen lag.

K

Kosten und Küssen
Muß man nie müssen.

L

Lust, Liebe, Leid, – drei Ehe-L,
Folgen einander und wechseln schnell;
Wird aber kein L durchs andre gestört.
Wos Ehepaar recht zusammengehört,
Da findet sich auch als Ringgeschmeid
Das allerköstlichste: Lauterkeit.

M

Marschieren und lustig sein, das laß ich gelten,
Doch darf kein Feldwebel fluchen und schelten.
Das Allervergnüglichste wird Verdruß,
Steht auf der Fahne das grämliche Muß.

N

Niedertracht, Neid, Nörgelei
Bilden gerne Kumpanei,
Immer sind zusammen die Drei.
Laß sie, Freund, geh still vorbei,
Lach dir eins und laß sie lästern,
Diese dürren Kaffeeschwestern.

O

Oberflächlichkeiten
Sind geschickt, zu gleiten,
Wissen ihren Weg gar schnell zu gehn.
Denn sie lassen sich treiben.
Doch auf Pfützen bleiben
Breit sie und mit vieler Würde stehn.

P

Pietist
Reimt sich auf Christ, –
Was doch die Sprache oft scherzhaft ist.

Q

Quappen und Quallen
Mag Schlamm gefallen;
Wir von den Hellen
Gehn zu den Quellen.

R

Redlich und reinlich:
Darin sei peinlich!

S

Sorgen, das sind schlimme Gäste,
Kleben zähe, sitzen feste.
Mußt ihnen nur hurtig den Rücken drehn;
Wenn sie dich bei der Arbeit sehn,
Bleibt ihnen nichts übrig, als weiter zu gehn.

T

Teufel bannen, heißt thätig sein;
Herr Urian kehrt bei Frau Schlafhaube ein.

U

Undank ernten, das läßt sich tragen;
Wens ankommt, je nach Dank zu fragen,
Kann keiner vom Herrengeschlechte sein;
Aber Undank üben, macht pöbelgemein.

V

Versuch dein Glück! So rufen die Lotterien.
Zieh, doch bedenk: Du kannst auch Nieten ziehn.
Viel sicherer geht, wer, statt zu spielen, schafft.
Drum folg dem Ruf: Versuche deine Kraft!


W

Wirbelwinde, Wirbelköpfe
Zerschmettern Schiffe, zerbrechen Töpfe.
Klar und gradaus der Wind, der Kopf:
Im Hafen das Schiff, voll Speise der Topf.

X

X wird nie U, und machts dir einer vor,
Nimm ihn gelassen nur beim Ohr
Und setz ihn säuberlich vors Thor.

Y

Ypsilon ist gar so selten,
Schwer will sich ein Vers drauf melden.
So giebts im Leben auch leere Stunden,
Auf die ein Reim schwer wird gefunden.
Fällt uns nur sonst was Rechtes ein.
Eine Lücke wird immer verziehen sein.

Z

Zier dich nicht und sperr dich nicht,
Bürger dieser Erde.
Dazu ist das Mahl gericht,
Daß gegessen werde.

Lebendiger Vorwurf . . .

Faulheit und Unfähigkeit ärgern sich über Fleiß und Talent, weil letztere einen lebendigen Vorwurf bilden, der überall den Neid steckbrieflich verfolgt.Karl Bleibtreu (1859 – 1928)

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HELMUT ZEH

† 1. Juli 2005

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