Sonntag, 10. April 2011

Was machte Goethe am 10. April?


"Palermo, Dienstag, den 10. April 1787.

Heute fuhren wir bergauf nach Monreale. Ein herrlicher Weg, welchen der Abt jenes Klosters zur Zeit eines überschwenglichen Reichtums angelegt hat; breit, bequemen Anstiegs, Bäume hie und da, besonders aber weitläufige Spring- und Röhrenbrunnen, beinah pallagonisch verschnörkelt und verziert, desungeachtet aber Tiere und Menschen erquickend.
Das Kloster San Martin, auf der Höhe liegend, ist eine respektable Anlage. Ein Hagestolz allein, wie man am Prinzen Pallagonia sieht, hat selten etwas Vernünftiges hervorgebracht, mehrere zusammen hingegen die allergrößten Werke, wie Kirchen und Klöster zeigen. Doch wirkten die geistlichen Gesellschaften wohl nur deswegen so viel, weil sie noch mehr als irgendein Familienvater einer unbegrenzten Nachkommenschaft gewiß waren.
Die Mönche ließen uns ihre Sammlungen sehen. Von Altertümern und natürlichen Sachen verwahren sie manches Schöne. Besonders fiel uns auf eine Medaille mit dem Bilde einer jungen Göttin, das Entzücken erregen mußte. Gern hätten uns die guten Männer einen Abdruck mitgegeben, es war aber nichts bei Handen, was zu irgend einer Art von Form tauglich gewesen wäre.
Nachdem sie uns alles vorgezeigt, nicht ohne traurige Vergleichung der vorigen und gegenwärtigen Zustände, brachten sie uns in einen angenehmen kleinen Saal, von dessen Balkon man eine liebliche Aussicht genoß; hier war für uns beide gedeckt, und es fehlte nicht an einem sehr guten Mittagessen. Nach dem aufgetragenen Dessert trat der Abt herein, begleitet von seinen ältesten Mönchen, setzte sich zu uns und blieb wohl eine halbe Stunde, in welcher Zeit wir manche Frage zu beantworten hatten. Wir schieden aufs freundlichste. Die jüngern begleiteten uns nochmals in die Zimmer der Sammlung und zuletzt nach dem Wagen.
Wir fuhren mit ganz andern Gesinnungen nach Hause als gestern. Heute hatten wir eine große Anstalt zu bedauern, die eben zu der Zeit versinkt, indessen an der andern Seite ein abgeschmacktes Unternehmen mit frischem Wachstum hervorsteigt.
Der Weg nach San Martin geht das ältere Kalkgebirg' hinauf. Man zertrümmert die Felsen und brennt Kalk daraus, der sehr weiß wird. Zum Brennen brauchen sie eine starke, lange Grasart, in Bündeln getrocknet. Hier entsteht nun die Calcara. Bis an die steilsten Höhen liegt roter Ton angeschwemmt, der hier die Dammerde vorstellt, je höher, je röter, wenig durch Vegetation geschwärzt. Ich sah in der Entfernung eine Grube fast wie Zinnober.
Das Kloster steht mitten im Kalkgebirg', das sehr quellenreich ist. Die Gebirge umher sind wohlbebaut."

Aus: Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832): Italienische Reise. Stuttgart: Cotta 1829.

Helfen Sie mit!


Herzlich willkommen!


Hier geht's zum Log-in:

Sinniges


"Es gibt Worte, die nie gesagt werden dürfen, sonst sterben sie ..." – Kurt Tucholsky

Sofort lesen!


"Wer ein Buch zusammenstellt mit hilfreicher Weisheit, erdacht von anderen Köpfen, leistet der Menschheit einen größeren Dienst als der Verfasser eines Epos' der Verzweiflung." – Ella Wheeler Wilcox (1850 – 1919)

2017 in 4. Auflage erschienen:


... mehr

2010 erschienen:


Lektüreempfehlung

2018 in 3. Auflage erschienen:


... mehr

IN MEMORIAM


♫ ♪ ♫ ♪ ♫ ♪ ♫ ♪ ♫

HELMUT ZEH

† 1. Juli 2005

♫ ♪ ♫ ♪ ♫ ♪ ♫ ♪ ♫

Archiv


April 2011
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 
 
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
11
12
13
14
16
19
20
22
23
24
25
26
27
28
29
30
 
 

Haftungsausschluss


Ich übernehme keine Verantwortung und keine Haftung für die Inhalte der mit meiner Webseite verknüpften/verlinkten externen Webseiten.

Suche

 

Status


Online seit 6481 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 12. Nov, 12:53

Credits


Aphorismus
Aufgespießtes
Berlin
Bescheidenheit
Bücher
Dummheit
Eifersucht
Erste Saetze
Freundschaft
Frösche
Frühling
Galgenlieder
Geiz
Harz
Herbst
Katzen
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren