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von Peter Panter [i. e. Kurt Tucholsky (1890 – 1935)]
Das da ist ein Komma. So wenig man es als Überschrift verwerten kann, so wenig kann man es, wie wir gleich sehn werden, an einer andern Stelle gebrauchen. Kommen Sie mit auf die Kommajagd –?
Deutsche Interpunktion ist, wenn jeder macht, was er will. Zum Beispiel bei einem der besten Übersetzer aus dem Französischen, bei Ferdinand Hardekopf, so: "Der Alkohol verheert schleichend das Land, und zwar in weit höherem Maße, als die, nur den Konsum der öffentlichen Schankstätten erfassenden Statistiken es erkennen ließen.«" Falls es eine Gottheit gibt, die sich mit der Interpunktion befaßt, so wird sie gebeten, ihr Antlitz zu verhüllen. Man lese sich den Satz mit dem Komma vor, und man wird die Spitze hinter "die" fühlen. Und der von mir hochverehrte Hardekopf steht mit diesem Komma nicht allein da. Irgendeine Akademiegröße interpungiert auch so – es ist
herzzerreißend.
"Meine, neben diesen äußerlich robusten Bauerngestalten fast schmächtige Figur . . . ", aber warum muß denn noch dem Auge und dem Atem ausdrücklich kund und zu wissen getan werden, daß dieses dem Substantiv gehörige Adjektiv noch einen Zusatz hat! Es geht doch bei solchen in der deutschen Sprache nicht immer vermeidbaren Längen sehr gut auch ohne Komma, wie diese Beispiele hier zeigen!
Ist unser Satzbau noch nicht verzwickt genug? Bei Döblin haben die Kommata die Masern, sie bleiben daher alle zu Hause. Bei Hardekopf wieder hat einer, um das Polgarsche Bild zu gebrauchen, den Text mit der Komma-Büchse bestreut, und jetzt stocken Auge und Atem. Dabei wird das nicht einmal konsequent gehandhabt. Hardekopf schreibt zum Beispiel richtig: "die meiner Verwaltung anvertraute Bewohnerschaft", wobei denn offenbar der bestimmte Artikel nicht durch ein Komma vom Zusatz abgetrennt wird, wohl aber das besitzanzeigende Fürwort. Nein, es ist wirklich nicht schön. Ich warne nur deshalb davor, weil es keine Sprachdummheit gibt, die sich nicht sofort, einer Grippe gleich, ansteckend verbreitet. So hat Döblin etwas Schönes angerichtet: weite Strecken mancher Literatur haben den Kommata-Fraß und die
Interpunktionsräude.
Mit allem schuldigen Verlaub. In diesen bewegten Zeiten. Weil wir sonst keine Sorgen haben.
Das da ist ein Komma. So wenig man es als Überschrift verwerten kann, so wenig kann man es, wie wir gleich sehn werden, an einer andern Stelle gebrauchen. Kommen Sie mit auf die Kommajagd –?
Deutsche Interpunktion ist, wenn jeder macht, was er will. Zum Beispiel bei einem der besten Übersetzer aus dem Französischen, bei Ferdinand Hardekopf, so: "Der Alkohol verheert schleichend das Land, und zwar in weit höherem Maße, als die, nur den Konsum der öffentlichen Schankstätten erfassenden Statistiken es erkennen ließen.«" Falls es eine Gottheit gibt, die sich mit der Interpunktion befaßt, so wird sie gebeten, ihr Antlitz zu verhüllen. Man lese sich den Satz mit dem Komma vor, und man wird die Spitze hinter "die" fühlen. Und der von mir hochverehrte Hardekopf steht mit diesem Komma nicht allein da. Irgendeine Akademiegröße interpungiert auch so – es ist
herzzerreißend.
"Meine, neben diesen äußerlich robusten Bauerngestalten fast schmächtige Figur . . . ", aber warum muß denn noch dem Auge und dem Atem ausdrücklich kund und zu wissen getan werden, daß dieses dem Substantiv gehörige Adjektiv noch einen Zusatz hat! Es geht doch bei solchen in der deutschen Sprache nicht immer vermeidbaren Längen sehr gut auch ohne Komma, wie diese Beispiele hier zeigen!
Ist unser Satzbau noch nicht verzwickt genug? Bei Döblin haben die Kommata die Masern, sie bleiben daher alle zu Hause. Bei Hardekopf wieder hat einer, um das Polgarsche Bild zu gebrauchen, den Text mit der Komma-Büchse bestreut, und jetzt stocken Auge und Atem. Dabei wird das nicht einmal konsequent gehandhabt. Hardekopf schreibt zum Beispiel richtig: "die meiner Verwaltung anvertraute Bewohnerschaft", wobei denn offenbar der bestimmte Artikel nicht durch ein Komma vom Zusatz abgetrennt wird, wohl aber das besitzanzeigende Fürwort. Nein, es ist wirklich nicht schön. Ich warne nur deshalb davor, weil es keine Sprachdummheit gibt, die sich nicht sofort, einer Grippe gleich, ansteckend verbreitet. So hat Döblin etwas Schönes angerichtet: weite Strecken mancher Literatur haben den Kommata-Fraß und die
Interpunktionsräude.
Mit allem schuldigen Verlaub. In diesen bewegten Zeiten. Weil wir sonst keine Sorgen haben.
Clarisse1 - 5. Mai, 08:15
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