Sonntag, 1. Juni 2008

Unwetter

von Alfred Lichtenstein (1889 – 1915)

Erstarrter Mond steht wächsern,
Weißer Schatten,
Gestorbnes Gesicht,
Über mir und der matten
Erde.
Wirft grünes Licht
Wie ein Gewand,
Ein faltiges,
Auf bläuliches Land.

Aber vom Rand
Der Stadt steigt sanft
Wie fingerlose, weiche Hand
Und furchtbar drohend wie Tod
Dunkel, namenloses . . .
Wächst höher her
Ohne Ton,
Ein leeres, langsames Meer –

Erst war es nur wie eine müde
Motte, die auf letzten Häusern kroch.
Jetzt ist es schwarz blutendes Loch.
Hat schon
Die Stadt und den halben Himmel verschüttet.

Ach, wär ich geflohn! –
Nun ist es zu spät.
Mein Kopf fällt in die
Trostlosen Hände
Am Horizont ein Schein wie ein Schrei
Kündet
Entsetzen und nahes Ende.

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HELMUT ZEH

† 1. Juli 2005

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