Samstag, 21. Juni 2008

Karl Kraus: Gedanke(n)

Der Gedankenlose denkt, man habe nur dann einen Gedanken, wenn man ihn hat und in Worte kleidet. Er versteht nicht, daß in Wahrheit nur der ihn hat, der das Wort hat, in das der Gedanke hineinwächst.Der Sinn nahm die Form, sie sträubte und ergab sich. Der Gedanke entsprang, der die Züge beider trug.Die Sprache ist die Mutter, nicht die Magd des Gedankens.Die Sprache sei die Wünschelrute, die gedankliche Quellen findet.Weil ich den Gedanken beim Wort nehme, kommt er.Ich habe manchen Gedanken, den ich nicht habe und nicht in Worte fassen könnte, aus der Sprache geschöpft.Der Drucker setzte: "in Worten fassen könnte". Im Gegenteil und folglich: Ich habe manchen Gedanken, den ich nicht in Worte fassen könnte, in Worten gefaßt.Der Gedanke ist in der Welt, aber man hat ihn nicht. Er ist durch das Prisma stofflichen Erlebens in Sprachelemente zerstreut: der Künstler schließt sie zum Gedanken.Der Gedanke ist ein Gefundenes, ein Wiedergefundenes. Und wer ihn sucht, ist ein ehrlicher Finder, ihm gehört er, auch wenn ihn vor ihm schon ein anderer gefunden hätte.Es gibt Vorahmer von Originalen. Wenn Zwei einen Gedanken haben, so gehört er nicht dem, der ihn früher hatte, sondern dem, der ihn besser hat.Es gibt Zuständigkeit der Gedanken, die sich um ihren jeweiligen Aufenthalt wenig kümmert.Ein Gedanke ist nur dann echtbürtig, wenn man die Empfindung hat, als ertappe man sich bei einem Plagiat an sich selbst.Meinungen sind kontagiös; der Gedanke ist ein Miasma.Karl Kraus (1874 – 1936)

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HELMUT ZEH

† 1. Juli 2005

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