An der Saar
"[...] Schon bei meinen wenigen Wanderungen durch die Welt hatte ich bemerkt, wie bedeutend es sei, sich auf Reisen nach dem Laufe der Wasser zu erkundigen, ja bei dem kleinsten Bache zu fragen, wohin er denn eigentlich laufe. Man erlangt dadurch eine Übersicht von jeder Flußregion, in der man eben befangen ist, einen Begriff von den Höhen und Tiefen, die auf einander Bezug haben, und windet sich am sichersten an diesen Leitfäden, welche sowohl dem Anschauen als dem Gedächtnis zu Hülfe kommen, aus geologischem und politischem Ländergewirre. In dieser Betrachtung nahm ich feierlichen Abschied von dem teuren Elsaß, da wir uns den andern Morgen nach Lothringen zu wenden gedachten.
Der Abend ging hin in vertraulichen Gesprächen, wo man sich über eine unerfreuliche Gegenwart durch Erinnerung an eine bessere Vergangenheit zu erheitern suchte. Vor allem andern war hier, wie im ganzen Ländchen, der Name des letzten Grafen Reinhard von Hanau in Segen, dessen großer Verstand und Tüchtigkeit in allem seinen Tun und Lassen hervortrat, und von dessen Dasein noch manches schöne Denkmal übrig geblieben war. Solche Männer haben den Vorzug, doppelte Wohltäter zu sein, einmal für die Gegenwart, die sie beglücken, und sodann für die Zukunft, deren Gefühl und Mut sie nähren und aufrecht erhalten.
Als wir nun uns nordwestwärts in das Gebirg wendeten und bei Lützelstein, einem alten Bergschloß in einer sehr hügelvollen Gegend, vorbeizogen, und in die Region der Saar und Mosel hinabstiegen, fing der Himmel an sich zu trüben, als wollte er uns den Zustand des rauheren Westreiches noch fühlbarer machen. Das Tal der Saar, HIER geht's weiter
aus: Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832): Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit.
Clarisse1 - 22. Aug, 17:22
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