L(i)eben

Mittwoch, 28. November 2007

Liebestoben . . .

Ein Gedicht o. T. von Christian Morgenstern (1871 – 1914)

Mich erfüllt Liebestoben zu dir!
Ich bin deinst,
als ob einst
wir vereinigst.

Sei du meinst!
Komm Liebchenstche zu mir –
Ich vergehste sonst
sehnsuchtsgepeinigst.

Achst, achst, schwachst schwachst arms Wortleinstche, was? – –
Genug denn, auch du, auch du mich liebstest.
Fühls, fühls ganzst ohne Worte: sei Meinstlein!
Ich sehne dich sprachlosestetst.

Montag, 29. Oktober 2007

Ich habe dich so lieb

von Joachim Ringelnatz (1883 – 1934)

Ich habe dich so lieb!
Ich würde dir ohne Bedenken
Eine Kachel aus meinem Ofen
Schenken.

Ich habe dir nichts getan.
Nun ist mir traurig zu Mut.
An den Hängen der Eisenbahn
Leuchtet der Ginster so gut.

Vorbei – verjährt –
Doch nimmer vergessen.
Ich reise.
Alles, was lange währt,
Ist leise.

Die Zeit entstellt
Alle Lebewesen.
Ein Hund bellt.
Er kann nicht lesen.
Er kann nicht schreiben.
Wir können nicht bleiben.

Ich lache.
Die Löcher sind die Hauptsache
An einem Sieb.

Ich habe dich so lieb.

Mittwoch, 24. Oktober 2007

Nichts mehr

von Ada Christen (1839 – 1901)

Nicht mehr die heißen, süßen Küsse,
Nicht mehr die Worte mild und warm,
Nicht mehr den treuen Blick der Augen,
Nicht mehr den Druck von deinem Arm.

Nichts mehr von allen jenen Wonnen
Die Liebe hat und Liebe giebt,
Nichts will ich – um noch fortzuleben –
Sag' nur, daß du mich einst geliebt!
____________________________
Aus: Lieder einer Verlorenen (1868)

Informationen über Ada Christen finden sich u. a. hier und hier.

Freitag, 12. Oktober 2007

Glück der Liebe

von Charlotte von Ahlefeld (1781? – 1849)

Einem Schmetterlinge gleicht die Liebe;
Wie er flatternd über Blumen schwebt,
So entflieht sie oft auf leichten Schwingen,
Und nur selten kehrt sie uns zurück.

Um gewaltsam ihre Flucht zu hemmen,
Strebt das kranke Herz mit leisem Weh;
Möcht' ihr gern die raschen Flügel binden,
Gern sie bannen in der Treue Kreis.

Aber wie des Schmetterlinges Farben
Selbst in zarten Händen untergehn,
So vernichten Fesseln auch die Reize,
Die der Liebe freie Regung schmücken.

Darum öffne ihrem kurzen Glücke
Willig und genießend Geist und Herz;
Aber will es wankelmütig weichen
Trauere dann – doch halt es nicht zurück!

Dienstag, 2. Oktober 2007

Aufgebung

von Joachim Ringelnatz (1883 – 1934)

Ich lasse das Schicksal los.
Es wiegt tausend Milliarden Pfund;
Die zwinge ich doch nicht, ich armer Hund.

Wie's rutscht, wie's fällt,
Wie's trifft – so warte ich hier. –
Wer weiß denn vorher, wie ein zerknittertes Zeitungspapier
Weggeworfen im Wind sich verhält?

Wenn ich noch dem oder jener (zum Beispiel dir)
Eine Freude bereite,
Was will es dann heißen: "Er starb im Dreck"? –
Ich werfe das Schicksal nicht weg.
Es prellt mich beiseite.

Ich poche darauf: Ich war manchmal gut.
Weil ich sekundenlang redlich gewesen bin. –
Ich öffne die Hände. Nun saust das Schicksal dahin.
Ach, mir ist ungeheuer bange zumut.

Sonntag, 23. September 2007

Der scheidende Sommer

von Heinrich Heine (1797 – 1856)

Das gelbe Laub erzittert,
Es fallen die Blätter herab;
Ach, alles was hold und lieblich
Verwelkt und sinkt ins Grab.

Die Gipfel des Waldes umflimmert
Ein schmerzlicher Sonnenschein;
Das mögen die letzten Küsse
Des scheidenden Sommers sein.

Mir ist, als müßt ich weinen
Aus tiefstem Herzensgrund;
Dies Bild erinnert mich wieder
An unsre Abschiedsstund.

Ich mußte von dir scheiden,
Und wußte, du stürbest bald;
Ich war der scheidende Sommer,
Du warst der kranke Wald.

Mittwoch, 19. September 2007

Phantaisie d'Amour

von Lisa Baumfeld (1877 – 1897)

... Du aber kennst mich nur, wenn ernst und bleich
mein Wesen ist gestimmt, harmonisch ... gleich ...
Und alles wird in mir: Gedanke, Seele ...

Ahnst du den Sturm, den ich dir scheu verhehle,
Und jene Glut, die in den Pulsen brennt,
Und die man zitternd, schaudernd nur erkennt ...?
Und aller Nerven krankes, heißes Beben ...
Den wilden Fieberdurst in mir nach Leben ...?
Ahnst du, welch toller Wahn mich oft umflirrt?

Sieh' nicht auf mich ... weil mich dein Blick verwirrt ...
Ich will dir beichten:
Oft in schwüler Nacht
Hab' ich ein fernes Märchenland erdacht,
Wo goldigblonde Sommerlüfte kosen
Und blasser Flieder blüht und purpurtrunk'ne Rosen,
Wo alles Klang und Farbe, Duft und Glanz
Und Elfenlied und leichter Elfentanz,
Und alle Brisen süß vom Blumenhauch geschwellt ...

Im Frühlingsschatten' grünlich matt erhellt,
Wo dämm'rig Klingen, dämm'rig Träumen webt,
Ein Elfenpaar sein Märchenleben lebt ...
Das Paar sind du und ich, in duft'gem Liebestraum ...
Vom Ast flockt rosenroth thaufeuchter Blütenschaum
In deine Locken ... weiche Frühlingsthränen ...
Und dir zu Füßen ich.
In traumhaft stillem Sehnen
Schau' ich empor und küsse dein Gewand.
Da legst du lächelnd deine weiße Hand
mir auf die Stirne ...
Laue Lüfte fächeln ...
Ich fühle nichts als dich – dich, dein geliebtes Lächeln ...
Und schau' dir tief und durstig in die Augen,
Um schauernd deine Seele einzusaugen ...
Ringsum ist Stille ... Erd' und Himmel lauscht ...
Da sink' ich an dein Herz, betäubt, berauscht,
Und häng' an dir mit schwerem, langem Kuß ...

Und alles rings versinkt, wird Flamme, Glut, Genuß ...
Ich weiß nichts mehr von mir ...
Fernher tönt leises Singen ...
Lass' mich in diesem Kuß ... vergeh'n ...
verglüh'n ... verklingen ...

Freitag, 14. September 2007

Zu dir

von Joachim Ringelnatz (1883 – 1934)

Sie sprangen aus rasender Eisenbahn
Und haben sich gar nicht weh getan.

Sie wanderten über Geleise,
Und wenn ein Zug sie überfuhr,
Dann knirschte nichts. Sie lachten nur.
Und weiter ging die Reise.

Sie schritten durch eine steinerne Wand,
Durch Stacheldrähte und Wüstenbrand,
Durch Grenzverbote und Schranken
Und durch ein vorgehaltnes Gewehr,
Durchzogen viele Meilen Meer. –

Meine Gedanken. –

Ihr Kurs ging durch, ging nie vorbei.
Und als sie dich erreichten,
Da zitterten sie und erbleichten
Und fühlten sich doch unsagbar frei.

Dienstag, 4. September 2007

Flamme

von Clara Müller (1861 – 1905)

Was sträubst du dich der süßen Glut,
die züngelnd schon dein Haupt versengt,
die liebeheißen Atems dich
mit Flammenarmen eng umdrängt?!

Die Glut bin ich – und du bist mein!
wirf ab, wirf ab das Alltagskleid:
gib deine ganze Seele hin
in ihrer nackten Herrlichkeit!

Umschlingen will ich glühend dich
und pressen dich ans heiße Herz,
die Kette schmelzen, die dich band,
in meinem Kuß wie tropfend Erz!

Und flüstern will ich dir ins Ohr
ein Wörtlein, zaub'risch wunderfein,
daß du nichts andres denken sollst,
als mich allein, als mich allein …

Donnerstag, 23. August 2007

Es ist Nacht

von Christian Morgenstern (1871 – 1914)

Es ist Nacht,
und mein Herz kommt zu dir,
hält's nicht aus,
hält's nicht aus mehr bei mir.

Legt sich dir auf die Brust
wie ein Stein,
sinkt hinein,
zu dem deinen hinein.

Dort erst,
dort erst kommt es zur Ruh,
liegt am Grund
seines ewigen Du.

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HELMUT ZEH

† 1. Juli 2005

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