Bei einem beinah alten Mann
von Otto Julius Bierbaum (1865 – 1910)
Bei einem beinah alten Mann
Meldete sich klein Amor an
(Ein Mädchen wars in einer Hosenrolle).
Der Überraschte fragte, was er wolle.
"Dich prüfen will ich," sprach das liebe Ding
(Halb Gassenbub, halb Schmetterling),
"Ob du noch brennen kannst" und küßt ihn so,
Daß augenblicks er Feuer fing.
Darüber war der Mann natürlich froh.
Denn allzulange war er wie ein Besen,
Zwar dürr, doch ohne Glut gewesen.
Wie aber dann der Kleine wieder ging,
Da trat herein zur Türe groß
Madam Vernunft, setzt schwer sich auf den Schoß
Noch warm von Amors Hinterteilchen
Und sprach: Herr Lichterloh, glaubt nicht dem Mädel,
Das jetzt zu Euch in Amors Maske kam
Und augenblicks Besitz von Euerm Schädel,
Von Euerm Torenschädel nahm,
Denn es vertrieb sich bloß ein Langeweilchen.
Da bot der Mann Madam Vernunft den Arm
Und führte sie zur Tür und sprach: Au revoir,
Ihr sprecht wahrscheinlich wie gewöhnlich wahr,
Doch allzukühle, und ich bin von Herzen
Froh, daß mir endlich wieder einmal warm
Zumute ist. Der Liebe helle Kerzen
Lösch ich nicht aus. Wer weiß, wie bald ein Wind
Sie niederweht und ich im Finstern träume
Von hellen Kerzen, die erloschen sind.
Bei einem beinah alten Mann
Meldete sich klein Amor an
(Ein Mädchen wars in einer Hosenrolle).
Der Überraschte fragte, was er wolle.
"Dich prüfen will ich," sprach das liebe Ding
(Halb Gassenbub, halb Schmetterling),
"Ob du noch brennen kannst" und küßt ihn so,
Daß augenblicks er Feuer fing.
Darüber war der Mann natürlich froh.
Denn allzulange war er wie ein Besen,
Zwar dürr, doch ohne Glut gewesen.
Wie aber dann der Kleine wieder ging,
Da trat herein zur Türe groß
Madam Vernunft, setzt schwer sich auf den Schoß
Noch warm von Amors Hinterteilchen
Und sprach: Herr Lichterloh, glaubt nicht dem Mädel,
Das jetzt zu Euch in Amors Maske kam
Und augenblicks Besitz von Euerm Schädel,
Von Euerm Torenschädel nahm,
Denn es vertrieb sich bloß ein Langeweilchen.
Da bot der Mann Madam Vernunft den Arm
Und führte sie zur Tür und sprach: Au revoir,
Ihr sprecht wahrscheinlich wie gewöhnlich wahr,
Doch allzukühle, und ich bin von Herzen
Froh, daß mir endlich wieder einmal warm
Zumute ist. Der Liebe helle Kerzen
Lösch ich nicht aus. Wer weiß, wie bald ein Wind
Sie niederweht und ich im Finstern träume
Von hellen Kerzen, die erloschen sind.
Clarisse1 - 5. Mär, 22:32
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