Mittwoch, 31. Dezember 2008

Am letzten Tage des Jahres

(Silvester)
von Annette von Droste-Hülshoff (1797 – 1848)

Das Jahr geht um,
Der Faden rollt sich sausend ab.
Ein Stündchen noch, das letzte heut,
Und stäubend rieselt in sein Grab
Was einstens war lebend'ge Zeit.
Ich harre stumm.

's ist tiefe Nacht!
Ob wohl ein Auge offen noch?
In diesen Mauern rüttelt dein
Verrinnen, Zeit! Mir schaudert, doch
Es will die letzte Stunde sein
Einsam durchwacht.

Gesehen all,
Was ich begangen und gedacht,
Was mir aus Haupt und Herzen stieg:
Das steht nun eine ernste Wacht
Am Himmelstor. O halber Sieg,
O schwerer Fall!

Wie reißt der Wind
Am Fensterkreuze, ja es will
Auf Sturmesfittigen das Jahr
Zerstäuben, nicht ein Schatten still
Verhauchen unterm Sternenklar.
Du Sündenkind!

War nicht ein hohl
Und heimlich Sausen jeder Tag
In deiner wüsten Brust Verlies,
Wo langsam Stein an Stein zerbrach,
Wenn es den kalten Odem stieß
Vom starren Pol?

Mein Lämpchen will
Verlöschen, und begierig saugt
Der Docht den letzten Tropfen Öl.
Ist so mein Leben auch verraucht,
Eröffnet sich des Grabes Höhl'
Mir schwarz und still?

Wohl in dem Kreis,
Den dieses Jahres Lauf umzieht,
Mein Leben bricht: Ich wußt' es lang!
Und dennoch hat dies Herz geglüht
In eitler Leidenschaften Drang.
Mir brüht der Schweiß

Der tiefsten Angst
Auf Stirn und Hand! – Wie, dämmert feucht
Ein Stern dort durch die Wolken nicht?
Wär' es der Liebe Stern vielleicht,
Dir zürnend mit dem trüben Licht,
Daß du so bangst?

Horch, welch Gesumm?
Und wieder? Sterbemelodie!
Die Glocke regt den ehrnen Mund.
O Herr! ich falle auf das Knie:
Sei gnädig meiner letzten Stund!
Das Jahr ist um!

1. Sylvester

von Cäsar Flaischlen (1864 – 1920)

Komm, vergiß einmal all die Geschichten
komm und begrab einmal all den Kram!
es sind ja doch nur Lumpereien,
die einem nur das Herz zerquälen,
die einen nur müde machen und lahm!

Die Menschen sind so, ich weiß es wohl:
statt fröhlich und guter Dinge zu sein,
vernörgeln sie sich die schönsten Stunden
mit kindisch törichten Hetzerein.
Sie möchten es selbst nicht, wenn man frägt . . .
sie sehnen sich, harmloser sein zu dürfen,
sie nennen es Unrecht, Schande und Hohn
und möchten heraus aus all dem Gezänke . . .
und kommen doch nicht los davon . . .
und wenn man so zusieht, wie sie allmählich
mutloser werden, trüber und trüber . . .

Mein Gott, man könnte weinen drüber!

Lebt mit mehr Freude! ach, ich möcht's
groß wie die Sonne an den Himmel schreiben,
daß es wie Feuer in die Herzen loht . . .
lebt mit mehr Freude und ohne die Not
und ohne den Haß und ohne den Neid,
an den ihr das halbe Leben verpaßt . . .
macht's euch zu Lust und nicht zu Last!
lebt mit mehr Freude,
lebt mit mehr Rast!

Silvesterabend . . .


Also Silvesterabend. Meister Andreas hatte mit seinen Eilfen und dem Gesinde den landesüblichen Heringssalat verzehrt, der an keinem heiligen Abend, wie viel weniger am Neujahrsheiligenabend fehlen darf. Denn wer, heute noch wie vor hundert Jahren, am Silvester nicht Hering und am Gründonnerstag nicht etwas Grünes oder mindestens frischen Honig genossen hat, wie dürfte der die Hoffnung hegen, das Jahr über Glück, will sagen Geld, zu haben? Der Abendsegen war verlesen; nach der alltäglichen Hausordnung würde jeder sein Kokellämpchen angesteckt haben und zu Bett gegangen sein. Aber Silvester war ein Ausnahmstag, an welchem keiner rechtzeitig zur Ruhe wollte und auch die Kleinsten sich nur zögernd entfernten, mit dem Vorbehalt, um Mitternacht wieder aufwachen und mitjubeln zu dürfen.
_____________________________________________________________
Aus: Louise von François (1817 – 1893): Die Geschichte meines Urgroßvaters. In: Europa. Leipzig: Ernst Keil 1855, Nr. 3.

Schnee an Silvester

Wenn es Silvester schneit,
Ist Neujahr nicht weit.
Wilhelm Busch (1832 – 1908)

1842 – 2008

[L]aßt uns die letzten Tage des Jahrs, das gottlob seinem Ende naht, so resigniert als möglich ertragen! Wenn uns nur der Himmel nicht zum Schluß mit einem neuen Unglück heimsucht! Es war ein schlechtes Jahr, und wäre ich ein Tendenzpoet, ich würde mit meinen mißtönend poltrigsten Versen dem scheidenden Jahre ein Charivari bringen. In diesem schlechten, schändlichen Jahre hat die Menschheit viel erduldet, und sogar die Bankiers haben einige Verluste erlitten.Heinrich Heine (1797 – 1856)

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HELMUT ZEH

† 1. Juli 2005

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