Glaube dem Leben, es lehrt besser als Redner und Buch.Johann Wolfgang Goethe (1749 – 1832)Lesen Sie, um zu leben.Gustave Flaubert (1821 – 1880)Bücher sind in ihrer Art in Ordnung, aber sie sind ein verdammt blutarmer Lebensersatz.Robert Louis Stevenson (1850 – 1894)
Clarisse1 - 26. Jan, 10:36
von Max Dauthendey (1867 – 1918)
Es geht ein Licht vom Himmel wie Rosenmilch. Geht durch die leeren Bäume über den Schnee, über das Schilfdach einer Hütte, über einen kauernden blauen Mann und eine gelbe ziehende Herde.
Der Schnee in blauen Scherben auf dem Hüttendach, um die Hütte in gelben Meerschaumwellen. Vergißmeinnichtblüten und Rosa in den Schneegruben. Der Schnee knistert fiebernd wie Seide. Seiden die Luft, goldweiß und goldrosig gestrählt.
Opalfarben schweben über den Schnee, kaum hörbar, zart wie der Atem der Perlen.
Aber über allem bricht rauschend das Licht im Duftguß aus weißem Kern. Steht in weißem Rosa und höher Gold, blasses Silbergold, und blüht entfaltet wie eine Blume.
Es wird lebendig der Schnee. In blauglimmenden Schatten steigen Flammen und aus Kristallbrüchen Gase, blaue und rosige weiten die Luft. Mit ihnen summende violette Dämpfe, rauschen unter der Hütte, saugen sich im Baumgeäst hoch. Die kahlen Bäume stehen in der Luft, wie die rosigen Adern auf durchsichtigen Blütenblättern.
Es geht aus allem eine nadeldünne Kühle, eine streichelnde Weichheit, wie die Schiller auf kühlen Muschelschalen und Perlmutter.
Der blaue Mann steht gebeugt im Licht. An ihm vorbei zieht die Schafherde aus der Hütte und breitet sich über den Schnee.
Es geht warmer Lichtfriede über den kalten Schnee. Auf Engelfittichen eine kinderlallende Andacht. Im schmeichelnden Gießen von Düften das Entfalten einer Taube auf rosigem Silbergrund. Das wispernde Beten ganz kleiner runder Engel mit Veilchenaugen und Blütenstaub im Haar und Daunenflügel am Nacken. Und Musik von elfenbeinernen Harfen.
Clarisse1 - 25. Jan, 14:03
Wann wirst du wiederkommen, wohlthätiger Winter, die Wasser befestigen, daß wir unseren Schlittschuhtanz wieder anfangen!Johann Wolfgang Goethe (1749 – 1832)
Clarisse1 - 24. Jan, 11:46
von Peter Altenberg (1859 – 1919)
"Oh mein Freund, was für eine Frau wünschtest Du Dir denn eigentlich?!?"
"Eine, die meine Höhen 'mit Enthusiasmus' und meine Abgründe 'ohne Schaudern' miterlebte!"
Clarisse1 - 21. Jan, 15:18
" [. . .] Sehen wir doch einmal zu, wer unter den Vertretern der älteren Generation neben den Modeärzten heute die Psychoanalyse betreibt. Die erstaunliche Antwort ist: fast nur Kurpfuscher der sogen. gebildeten Kreise; verunglückte Schriftsteller, schöpfungslose Dichter, Morphinisten, um die Ecke gegangene Mediziner – lauter Menschen, die keiner von uns ohne starke Bedenken an seinem Schreibtisch etwa allein lassen möchte. Alle diese psycho-analytischen Quacksalber wälzen wie im Fieber unablässig den Jargon der Schule mit vollen Backen im Munde. Aber faßt man sie ins Auge, so findet man stets, daß der Bruch in ihrem Berufsleben kein zufälliger ist, sondern daß ihre neue Wissenschaft nur ein Vorwand zur Loslösung von älteren Verpflichtungen ist; und daß sie selbst merkwürdig feige, unsichere und verantwortungslose Typen sind, die sich ans Deuten heranmachen, weil sie nie ans Handeln gehen werden, und die stets mehrere Wege offenhalten, weil sie sich selbst nicht entscheiden wollen."
Aus: Ludwig Rubiner (1881–1920): Zur Krise des geistigen Lebens. – In: Zeitschrift für Individualpsychologie (München), 1. Jg. 1916.
Clarisse1 - 19. Jan, 14:46
Auf ein lesenswertes Buch kommt eine Myriade beschmutztes Papier.Arthur Schopenhauer (1788 – 1860)
Clarisse1 - 14. Jan, 11:18
von Betty Paoli (1814 – 1894)
"Was du von dieses Berges Zinnen
Erschaust im weitgedehnten Kreis,
Durch meine Gunst kannst du's erringen,
Und, wahrlich, um geringen Preis.
Ich trage dich zu Ruhm und Ehre
Empor mit meines Fittichs Schwung!
Du fragst, was ich dafür begehre?
Nichts als nur deine Huldigung.
Jedwedes Ziel magst du erstreben,
Wenn du vor mir die Kniee beugst,
Und mit der Ehrfurcht scheuem Beben
Für meine Oberhoheit zeugst.
Dein sei das Maß der Herrlichkeiten,
So lang du mir zu Willen bist!"
Der Satan sprach's in alten Zeiten,
Und heute sagt's der Journalist.
Clarisse1 - 11. Jan, 14:10
von Alfred Lichtenstein (1889 – 1915)
Helle Länder sind deine Augen.
Vögelchen sind deine Blicke,
Zierliche Winke aus Tüchern beim Abschied.
In deinem Lächeln ruh ich wie in spielenden Booten.
Deine kleinen Geschichten sind aus Seide.
Ich muß dich immer ansehen.
Clarisse1 - 10. Jan, 16:33
von Luise Hensel (1798 – 1876)
Mir wird's zu eng in meinem Haus,
Ich muß in's weite Feld hinaus.
Ich will durch öde Haide gehn,
Wo Stürm' in hohen Tannen wehn:
Vielleicht verweht der trübe Schmerz,
Vielleicht schweigt dort mein jammernd Herz.
Ich will am Quellenbächlein stehn,
Will in die klaren Wellen sehn:
Vielleicht versenk' ich meinen Schmerz;
Dort schweigt ein Weilchen wohl mein Herz.
Ich will auf hohe Berge gehn,
Will weit durch ferne Fluren späh'n:
Vielleicht verliert sich dort mein Schmerz,
Vielleicht vergeß ich so mein Herz.
Ich will nach Blumen suchen gehn,
Will mich mit Kränzen schmücken schön,
In Blüthen bergen meinen Schmerz:
Vielleicht betrüg' ich so mein Herz.
Ich will – ach nein, ich will nichts mehr;
Die Welt ist trüb' und kalt und leer.
Clarisse1 - 10. Jan, 13:41
Die treffendste wahrste Schilderung der Liebe ist, daß sie nicht geschildert werden kann.Sophie Mereau (1770 – 1806)
Clarisse1 - 10. Jan, 12:16
von Johann Gottfried Herder (1744 – 1803)
Freund, der Unterschied der Erdendinge
Scheinet groß und ist so oft geringe;
Alter und Gestalt und Raum und Zeit
Sind ein Traumbild nur der Wirklichkeit.
Träg und matt auf abgezehrten Sträuchen
Sah ein Schmetterling die Raupe schleichen,
Und erhob sich fröhlich, argwohnfrei,
Daß er Raupe selbst gewesen sei.
Traurig schlich die Alternde zum Grabe:
»Ach, daß ich umsonst gelebet habe!
Sterbe kinderlos und wie gering!
Und da fliegt der schöne Schmetterling.«
Aengstig spann sie sich in ihre Hülle,
Schlief, und als der Mutter Lebensfülle
Sie erweckte, wähnte sie sich neu,
Wußte nicht, was sie gewesen sei.
Freund, ein Traumreich ist das Reich der Erden.
Was wir waren, was wir einst noch werden,
Niemand weiß es; glücklich sind wir blind;
Laß uns Eins nur wissen: was wir sind.
Clarisse1 - 9. Jan, 15:58
von Luise Hensel (1798 – 1876)
Mir schmeckt von allen Bäumen
Kein einzig Blättlein mehr;
Ich möchte ruhn und träumen,
Als ob ich gar nicht wär'.
Matt schlepp' ich zu der Höhe
Den kranken Leib hinan
Und wo ich Halt erspähe,
Vollend' ich meine Bahn.
Da web' ich mir die Truhe
So heimlich, klar und lind,
Darin ich meine Ruhe
Und Auferstehung find'.
O Mensch, ein wahrer Spiegel
Ist dir mein Lebenslauf:
Auch dir erwachsen Flügel
Und tragen dich hinauf.
Clarisse1 - 9. Jan, 15:54
von Adolf Glaßbrenner (1810 – 1876)
Die Raupe auf dem Baume saß,
Und von der Kron' die Blätter fraß –
Ja ja!
Sie war im bunten Kleide,
Als wie von Sammt und Seide,
Ha ha ha ha ha ha!
Ein Staatsminister ging vorbei,
Der sah das Thier und sprach: Ei ei!
Ja ja!
Wie konnt' es ihr gelingen?
'S geht nicht mit rechten Dingen!
Ha ha ha ha ha ha!
Du unbehülflich dummes Thier!
Ich wundre mich, drum sage mir:
Ja ja!
Wie hast du's unternommen,
Und bist so hoch gekommen?
Ha ha ha ha ha ha!
Und als die Raupe blieb nicht stumm,
Da wurd' er roth und dreht sich um.
Ja ja!
Die Raupe hat gesprochen:
Mein Freund, ich bin gekrochen!
Ha ha ha ha ha ha!
Aus: Adolf Glaßbrenner: Verbotene Lieder. Von einem norddeutschen Poeten. Bern: Jenni 1844.
Clarisse1 - 9. Jan, 08:15
445.
Wer sich durch eine Erkältung den Schnupfen zugezogen hat, der muß, um wieder davon frei zu werden, dreimal stillschweigend in den Strumpf riechen, den er auf dem linken Fuße getragen hat. (Seminarist M. Stübe)
Aus: Gebräuche und Aberglaube, gesammelt von Karl Bartsch (1832 – 1888)
Clarisse1 - 8. Jan, 15:33
von Christian Morgenstern (1871 – 1914)
Ein Schnupfen hockt auf der Terrasse,
auf daß er sich ein Opfer fasse
– und stürzt alsbald mit großem Grimm
auf einen Menschen namens Schrimm.
Paul Schrimm erwidert prompt: "Pitschü!"
und hat ihn drauf bis Montag früh.
Clarisse1 - 8. Jan, 10:21
"Würde" ist die konditionale Form von dem, was einer ist.Karl Kraus (1874 – 1936)
Clarisse1 - 5. Jan, 10:33
von Hedwig Lachmann (1865 – 1918)
Fällt um dunkle Bäume weich der Schnee,
Lange sacht, dann aufgewirbelt, jäh.
Hüllt den Tag in dämmerndes Gewühl,
Breitet auf die Erde Pfühl um Pfühl.
Wandert einer, und er sieht den Flaum;
Denkt er: weiches Bette, weiter Raum!
Wandert einer und er weiss kein Dach,
Denkt: hier fände ich ein Wohngemach!
Ist wie zugehangen rings die Welt,
Schiebt sich eng zusammen wie ein Zelt.
Busch und Bäume stehen unbewegt
Und von Einsamkeit wie eingehegt.
Clarisse1 - 4. Jan, 17:22
von Hedwig Lachmann (1865 – 1918)
Schneegeriesel. Flocken über Flocken.
In der weichen Luft zerfliesst der Schaum,
Und kein Windhauch weht die Erde trocken.
Aber, wenn im Frost erstarrt der Flaum,
Reift er schnell zu glitzernden Kristallen
Und blinkt dann am Boden und am Baum.
– Nasser Schnee ist auf mein Haar gefallen –
In den Bergen türmt er sich zu Eis
Und zu donnernden Lawinenballen.
Von den Dächern tropft es leise, leis,
Und dazwischen gleiten und verschwimmen
Fern und ferner, kaum dass ich es weiss,
Dämmernde Gedanken, leise Stimmen
Wie Erinnern, wie ein Atem bloss,
Einer Sehnsucht aufgescheuchtes Glimmen.
Alles fliesst der Erde in den Schoss.
Dieses Lebens gleitende Gesichte,
Ungezählte Tropfen, Los um Los,
Einen Augenblick beglänzt vom Lichte –
Oder in der rauhen Luft gereift,
Und nun auf der harten Erde dichte
Sternkristalle, bis ein Wind sie streift.
Clarisse1 - 4. Jan, 13:19
Wenn ich die Feder in die Hand nehme, kann mir nichts geschehen. Das sollte sich das Schicksal merken.Karl Kraus (1874 – 1936)
Clarisse1 - 4. Jan, 12:38
Der längste Atem gehört zum Aphorismus.Karl Kraus (1874 – 1936)
Clarisse1 - 3. Jan, 11:54
Lesen Sie – lesen Sie – lesen Sie viel. Lesen Sie alles.Henry James (1843 – 1916)
Clarisse1 - 3. Jan, 10:53
Man lese nicht viel
und nur das Beste.Georg Christoph Lichtenberg (1742 – 1799)
Clarisse1 - 3. Jan, 10:50
von Ludwig Achim von Arnim (1781 – 1831)
Altes Jahr, du ruhst in Frieden,
Deine Augen sind geschlossen;
Bist von uns so still geschieden
Hin zu himmlischen Genossen,
Und die neuen Jahre kommen,
Werden auch wie du vergehen,
Bis wir alle aufgenommen
Uns im letzten wiedersehen.
Wenn dies letzte angefangen,
Deutet sich dies Neujahrgrüßen,
Denn erkannt ist dies Verlangen,
Nach dem Wiedersehn und Küssen.
Clarisse1 - 1. Jan, 14:08
Prost Neujahr! – Übrigens eine prachtvolle Phrase, mit der man sich um das 'Glück'wünschen herumdrücken kann.Lily Braun (1865 – 1916)
Clarisse1 - 1. Jan, 14:00