Dienstag, 23. Oktober 2007

Ééérgern . . .

von Peter Panter [i. e. Kurt Tucholsky (1890 – 1935)]

Abends, wenn ich im Bett liege, muß ich mich immer so ééérgern … (Merk: ärgern – das ist böse und einmalig; ééérgern aber ist lange, sanft, süß-sauer und überhaupt.) Ich muß mich so ééérgern, weil sich wieder achtmal etwas ereignet hat, das ich da benannt habe: Die Technik spielt. Denn wir sind schrecklich weit fortgeschritten. Wir können von Berlin nach San Francisco telefonieren. Wir können in die Stratosphäre steigen. Die Leute können im Flugzeug über dem Atlantischen Ozean ein Rundfunkkonzert hören. Nur eine Schreibmaschine anständig reparieren, das können sie nicht. Oder eine Schraube am Auto so anziehen, daß sie länger hält als vierzig Kilometer, das können sie auch nicht. Und in jeder Wohnung ist immer grade etwas entzwei, und „Ich habe schon dreimal telefoniert, aber …“ Das können sie alles nicht. Die Technik spielt. Sie bauen immerfort neue Modelle – aber die alten funktionieren nicht richtig, und es gibt auch keine richtigen Ersatzteile … Ich habe den falschen Beruf erwählt. Ein Schriftsteller muß anständige Ware liefern. Man hätte sollen Schlosser werden oder Schreibmaschinenmann oder so etwas … die liefern ihren Schund, oder sie liefern ihn auch nicht, wie es ihnen grade einfällt, und bezahlen bezahlen wir doch. Die Technik spielt. Und ich muß mich so ééérgern. Und nun wollen wir uns eins lesen. […]
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Aus: Auf dem Nachttisch (1930)

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