Bücher

Donnerstag, 9. August 2007

Ohne Titel

Ein langweiliges Buch schreiben ist leichter, als eines lesen.Emanuel Wertheimer (1846 – 1916)

Samstag, 23. Juni 2007

Lesen

Erst durch Lesen lernt man, wieviel man ungelesen lassen kann.Wilhelm Raabe (1831 – 1910)Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe; nichtsdestoweniger aber trägt es zur Erhaltung meines Geistes bei.Georg Christoph Lichtenberg (1742 – 1799)

Freitag, 22. Juni 2007

Lesen, was beißt und sticht ...

Ich glaube, man sollte überhaupt nur solche Bücher lesen, die einen beißen und stechen. Wenn das Buch, das wir lesen, uns nicht mit einem Faustschlag auf den Schädel weckt, wozu lesen wir dann das Buch?Franz Kafka (1883 – 1924)

Samstag, 16. Juni 2007

Aus Büchern lernen ...

Gewisse Bücher scheinen geschrieben zu sein, nicht damit man daraus lerne, sondern damit man wisse, daß der Verfasser etwas gewußt hat.

Eigentlich lernen wir nur von Büchern, die wir nicht beurteilen können. Der Autor eines Buchs, das wir beurteilen könnten, müßte von uns lernen.
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)

Seltsame Ware

Eine seltsamere Ware, als Bücher, gibt es wohl schwerlich in der Welt. Von Leuten gedruckt, die sie nicht verstehen; von Leuten verkauft, die sie nicht verstehen; gebunden, rezensiert und gelesen von Leuten, die sie nicht verstehen; und nun gar geschrieben von Leuten, die sie nicht verstehen.Georg Christoph Lichtenberg (1742 – 1799)

Dienstag, 12. Juni 2007

Von berühmten ungedruckten Büchern

von Fritz Mauthner (1849 – 1923)

Es mag schon wunderlich klingen, nur von ungedruckten Büchern zu hören. Man weiß ja, daß es im Altertum und im Mittelalter keine durch Druck vervielfältigten Bücher gegeben hat, vielmehr nur im Handwerk abgeschriebene; aber seit Erfindung des Buchdrucks wird bekanntlich alles oder doch fast alles durch die Druckmaschine vervielfältigt, was irgend geschrieben wurde. Die Buchdruckpresse ist hungrig, nicht erst seit gestern; schon zu Anfang des 18. Jahrhunderts wurde in Holland, damals dem einzigen Lande des freien Denkens und der freien Presse, selbst von freisinnigen Menschen eine Einschränkung des Massenbetriebes herbeigesehnt, eine unmögliche Zensur durch guten Geschmack. Noch wunderlicher mag die Nachricht klingen, daß es berühmte ungedruckte Bücher gegeben habe. Als Beispiele ließen sich da Schriften aus alter und neuer Zeit anführen, die ungedruckt geblieben sind, weil sie verloren gegangen waren, oder weil kein Verleger die Kosten daran wagte (wie heute noch bei manchen scholastischen Manuskripten), oder weil gar die vielgenannte Geistesschöpfung (wie Lessings vollständiger "Faust") niemals auf der Welt gewesen war. Die Fälle, auf die ich hinweisen möchte, sind anderer und merkwürdigerer Art; es handelt sich um drei schriftstellerische Taten, von denen in den Kämpfen für und gegen die Aufklärung unzählige Male die Rede war, ohne daß die Bücher selbst durch den Druck zugänglich gemacht wurden; am seltsamsten liegt der dritte Fall, weil da das Buch nur als Titel wie eine Legende durch die Jahrhunderte ging und ein Buch zu dem Titel eigentlich erst ein halbes Jahrtausend später geschrieben wurde. Die wirklichen oder angeblichen Verfasser dieser Werke waren die verwegensten Aufklärer des 13., des 16. und des 18. Jahrhunderts. Der Nachfolger wußte wenig oder nichts von seinen Vorgängern; noch fehlte ein bewußter geschichtlicher Zusammenhang, jeder dieser Männer war ganz und gar ein Kind seiner Zeit, einer Aufklärungszeit.
Wir sind seit ungefähr hundert Jahren daran gewöhnt worden, das Wort "Aufklärung" mit einem spöttischen Nebenton auszusprechen oder anzuhören, ja sogar dafür den verächtlichen Ausdruck "Aufkläricht" zu gebrauchen. Es wäre eine nützliche Monographie darüber zu schreiben, wie das gekommen ist. Die Aufklärung des 18. Jahrhunderts, die durch viele Jahrzehnte die herrschende Mode war, hatte ihr ruhmloses Ende insofern redlich verdient, als sie mit unzureichenden Mitteln alle Welträtsel zu lösen vermeinte und als Popularphilosophie zu einem Geschwätz kleiner Leute geworden war, während die führenden Geister bereits nach neuen Ufern blickten und suchten; aber die bedeutendsten Träger dieser Gedanken, ein Locke, ein Voltaire, in gewissem Sinne auch Kant, waren die weitaus besten Köpfe ihrer Zeit und wahrlich nicht Diener einer Mode; nicht einmal Voltaire überall nur ein Vermittler zwischen Philosophie und Volk, trotz seiner ungeheuren Popularität. Von der aufklärenden Leistung solcher Männer muß auch noch im 20. Jahrhundert mit der äußersten Achtung geredet werden; sie und ihre vielen bekannten oder verschollenen Mitarbeiter und Mitläufer hatten als Aufklärer die Zerstörung von Aberglauben und Unduldsamkeit auf sich genommen, die Wegräumung uralten Wustes, die Niederreißung eines baufälligen Hauses. Mit Versuchen, die Welt systematisch zu deuten, ist die Allerweltsphilosophie der späteren Aufklärung oft kindisch und lächerlich geworden; mit ihrem kritischen, negierenden Ansturm gegen kirchliche und staatliche Rückständigkeiten vollbrachte die ursprüngliche Aufklärung eine welthistorische Leistung.
Und noch eine Bemerkung soll vorausgeschickt werden. Die Buchdruckerkunst scheint berufen gewesen zu sein, Aufklärung und Bildung zu einer demokratischen Macht zu machen; die Bücher, die Mittel zur Geistesbefreiung, konnten erst durch sie massenhaft und wohlfeil an das Volk gelangen; "billig und gut" hätte der Wahlspruch lauten sollen. Doch die hervorragendsten Aufklärer des 18. Jahrhunderts noch waren nicht demokratisch gesinnt; auch Voltaire und König Friedrich nicht. Man wandte sich mit den neuen Ideen meistens nur an die Gelehrten und an die vornehme Gesellschaft; das gemeine Volk sollte zwar zur Duldsamkeit erzogen werden, sonst aber in jeder Abhängigkeit verbleiben.

Das jüngste von den berühmten ungedruckten Büchern ist jedem deutschen Schüler bekannt unter dem Namen der Wolfenbütteler Fragmente; Lessing hat ja einige Stücke daraus herauszugeben gewagt, dann seinen Standpunkt gegen den Hauptpastor Goeze in seinen unvergleichlichen Streitschriften verteidigt und endlich, als ihm von seinem Herzog die Feder aus der Hand geschlagen worden war, sein Bekenntnis zum konfessionslosen, duldsamen Deismus im "Nathan" dicherisch geformt. Hier kommt es mir nur darauf an festzustellen, daß die Handschrift, die Lessing zuerst vollständig veröffentlichen wollte, dann bis 1778 in wenigen Bruchstücken herausgab, bis zur Stunde so gut wie ungenützt in der Hamburger Stadtbibliothek ruht. Wohl erschien 1787 der erste Teil der älteren Fassung in einer schlechten Ausgabe, mit einigen vorsichtigen und törichten Anmerkungen; wohl erkühnte sich 1851 eine theologische Zeitschrift, die zweite und endgültige Fassung der Handschrift zu versprechen und zu beginnen; wohl gab 1861 der tapfere Strauß einen trefflichen Auszug heraus; aber die schneidende Waffe des alten Samuel Reimarus harrt immer noch auf den, der sie schwinge, wie des Wälsung Schwert in der Esche Stamm. Auch Erich Schmidt, der die ganze Frage in seinem "Lessing" (3. Buch, 2. Kap.) recht gründlich behandelte, hat sich nicht entschlossen, die einzigartige Handschrift drucken zu lassen.
Lessing hatte gegenüber dem ängstlichen Sohne des Verfassers die Verpflichtung übernommen, den Namen Reimarus nicht zu nennen, und fast übermütig lenkte er den Verdacht auf einen anderen toten Aufklärer; jetzt wissen wir mit völliger Sicherheit, daß Samuel Reimarus es war, der die "Schutzschrift für die vernünftigen Verehrer Gottes" in aller Heimlichkeit niedergeschrieben hatte. Gegen 25 Jahre lang hatte dieser schüchterne Gymnasiallehrer an seinem Lebenswerk geschafft, bis zu seinem Tode, hatte es aber niemals an das Licht zu bringen sich erdreistet. Nicht als ob er ein Heuchler gewesen wäre, wie etwa der katholische Pfarrer Meslier, der sein Amt bis zu seinem Ableben versah und dann der Nachwelt sein durchaus atheistisches "Testament" hinterließ, das der Deist Voltaire herausgab. Reimarus (geboren 1694, gestorben 1768) hatte sich als maßvollen Freigeist in anderen Schriften hinlänglich zu erkennen gegeben; seine Schriften über die natürliche Religion und über die Triebe der Tiere wurden von den Aufklärern sehr geschätzt, er war ein Freund des recht christlichen Reimers Brockes, der doch nicht zu den Orthodoxen gehörte. Aber daß Reimarus, der stille Philologe, langsam ein Unchrist geworden war, das ahnten seine Freunde und Berufsgenossen um so weniger, als er sich in Zeitungsaufsätzen recht heftig gegen Leute richtete, die (wie der damals berüchtigte Wertheimer Bibelübersetzer) nur ein rationalistisches Christentum vortrugen und in der Bibelkritik lange nicht so weit gingen wie Reimarus selbst. So führte der gute Professor Reimarus in der frommen Stadt Hamburg ein Doppelleben: die Bücher, die er mit seinem Namen vertrat, und was er sonst anonym für Zeitschriften schrieb, wurden von den Fortschrittlern gelobt und von den Rückschrittlern immerhin um der Gelahrtheit willen geachtet, weil alles auf Begründung einer natürlichen Religion hinauslief, gelegentlich den Atheismus und den Pantheismus verwarf und die Sache des Offenbarungsglaubens bescheiden der theologischen Wissenschaft zu überlassen schien; und zu gleicher Zeit setzte dieser selbe Reimarus seine ganze Kraft an die Ausarbeitung der "Schutzschrift", in welcher ein ganz anderer Geist vorherrscht, ja sogar ein ganz anderer Schriftsteller in geradezu aufreizender Sprache das Wort führt. Scharfsinnige Kritiker hätten freilich erkennen müssen, daß sich hinter dem rationalistischen Schafspelz der natürlichen Theologie ein antichristlicher Wolf verbarg, daß Reimarus in die Schule der gefährlichen englichen Deisten gegangen war; aber ein solcher Kritiker fand sich nicht, und so war Reimarus (nach dem hübschen Worte Erich Schmidts) ein Freier, aber kein Befreier. Was dann Lessing aus der Handschrift bekanntmachte, wirkte erregend auf einige deutsche Männer; eine neue Zeit konnten die Bruchstücke nicht anbahnen, weil die Hauptmasse der Beweisführung ungedruckt blieb. Wer gar zu stolz ist auf die gegenwärtige Höhe der Geistesfreiheit, der sollte des kleinen Umstandes eingedenk bleiben: was Lessing vor beinahe 150 Jahren für nützlich hielt und plante, die Herausgabe der Lebensarbeit des Rebellen Reimarus, das ist immer noch nicht erfolgt. Nur daß die Tendenzen des ängstlichen Hamburger Professors, viel tiefer und schöner, als er sie selbst zu fassen vermochte, durch Lessings "Nathan" Gemeingut geworden sind, was man so Gemeingut nennt, ein köstlicher Besitz, von dem die Armen am Geiste wenig haben.
Viel veralteter in der Darstellung, in der Form oft noch scholastisch, doch in seiner feinsten Gesinnung der modernen Anschauung fast noch näher als die "Schutzschrift" des Philologen Reimarus ist das Toleranzwerk eines kleinen französischen Staatsmannes aus dem 16. Jahrhundert, das "Siebenfältige Gespräch" (Colloquium Heptaplomeres) von Jean Bodin. Es fällt nicht buchstäblich unter die Überschrift dieses Aufsatzes, weil es endlich volle 260 Jahre nach seiner Abfassung von einem deutschen Gelehrten herausgegeben worden ist. Nach einer der vielen Abschriften des lateinischen Urtextes, nachdem ein anderer deutscher Bücherwurm kurz vorher einen recht guten Auszug in einer Übersetzung mitgeteilt hatte. Diese Ausgaben kamen viel zu spät, um noch eine unmittelbare Wirkung auszuüben. Die demokratischen Stellen aus der Staatslehre Bodins wurden in Schriften über den Tyrannenmord immer noch häufig angeführt; aber das "Siebenfältige Gespräch" war und blieb begraben, weil es in den beiden Jahrhunderten der Nachfrage nur zu unerschwinglichen Preisen etwa in einer Abschrift aufzutreiben war. Leibniz hatte die Herausgabe (natürlich wünschte der Hofmann dazu abschwächende Erläuterungen) verlangt, Lessing und Strauß haben es offenbar nicht gekannt.
Bodin (geboren 1530, gestorben 1596 oder 1597) spielte in einer Ständeversammlung ungefähr die Rolle eines Girondisten von 1792; er verteidigte die Rechte des Volkes und der Hugenotten, entging nur gerade noch dem Blutbad der Bartholomäusnacht und endete als ein begeisterter Anhänger von Heinrich IV. Ein Aufklärer im Sinne des 18. Jahrhunderts war er durchaus nicht; er war in einem seiner verbreitetsten Bücher so gespenstergläubig, daß die deutschen Bekämpfer des Hexenwahns, die sein ungedrucktes Hauptwerk nicht kannten, ihn als einen Finsterling an den Pranger zu stellen pflegten. Aber sein "Siebenfältiges Gespräch" ist die erste Verkündigung einer Naturreligion gewesen und wurde schon 1593, ein Menschenalter also vor dem ersten deistischen Buche, niedergeschrieben. Ein übelwollender Vermerk auf der Pariser Handschrift, die für die beste gilt, spricht ahnungslos den Duldungsgedanken Bodins kurz aus: wer so viele Religionen lobe, habe selber keine. Man denkt an Schillers Epigramm, das deistisch die Frage beantwortet, welche Religion er kenne. "Keine von allen, die du mir nennst. - Und warum keine? Aus Religion." Der Titel des Gespräches erklärt sich daraus, daß die Vertreter von sieben Religionen oder Weltanschauungen zu Worte kommen: ein Jude, ein Mohammedaner, ein Katholik, ein Lutheraner, ein Kalvinist, ein Rationalist und ein Atheist. Ohne Zweifel stehen die beiden letzten der Herzensmeinung seines Verfassers am nächsten; doch mit erstaunlicher, auch in unseren Tagen noch ungewohnter Ungebundenheit plaudern die sieben Männer über ihre verschiedenen Überzeugungen; sie necken einander eher, als daß sie streiten. Kein Dogma wird der Kritik entzogen. Die Duldung der fremden Ansicht ist feiner und menschlicher als später bei den englischen und französischen Freigeistern. Wäre das Buch noch bei Lebzeiten des Verfassers durch den Druck herausgegeben worden, so wären wahrscheinlich Buch und Schreiber verbrannt worden; aber die Nachwirkung hätte eine unermeßliche werden können.

Der dritte Fall betrifft das weltberühmte Buch "von den drei Betrügern". Das ist eine noch viel seltsamere Geschichte. Es gibt da einen Buchtitel, der die Kraft eines geflügelten Wortes gewonnen hat, ohne daß das Buch zu diesem Titel jemals vorhanden gewesen wäre. Das geflügelte Wort der Aufklärung geht in der Geschichte oder in der Legende wieder auf einen Friedrich II. zurück, aber nicht auf den König, sondern auf den deutschen Kaiser aus dem 13. Jahrhundert, auf den Staufen, dem eine solche Äußerung wohl zuzutrauen war. Das geflügelte Wort stand durch Jahrhunderte da wie ein Plakat; man verstand es und hatte das Buch zu dem Titel gar nicht nötig. Die uralte, von Lessing so herrlich umgeformte Parabel von den drei Ringen ist die letzte Gestalt, die das geflügelte Wort angenommen hat. Vorher, bei den Enzyklopädisten und bei Voltaire hießen die Religionsstifter allgemein und einfach Betrüger. Erst die neuere Geschichtswissenschaft und die Entwicklungslehre hat der Beschimpfung ein Ende bereitet. Man legt jetzt dem Aufkommen von Religionen natürliche Ursachen zugrunde, nicht mehr verbrecherische.
Nun erzählt aber die Legende, daß das Buch "von den drei Betrügern" vorhanden wäre; die reichsten Bücherliebhaber wollten das Buch besitzen; da war es kein Wunder, wenn das Buch zu dem Titel nachträglich auch geschrieben wurde. So gibt es denn auch zwei Schriften, die mit mehr oder weniger Keckheit für das Opus des Kaisers Friedrich ausgegeben wurden; beide wurden gedruckt.
Ein Büchlein aus dem 16. Jahrhundert, das den legendaren Titel führt, ist nach meiner Meinung die sehr freie, konfessionslose Arbeit eines Sozinianers oder Dreifaltigkeitsleugners und hat die Überschrift "Von den drei Betrügern" erst nachträglich von einem unternehmenden Buchhändler erhalten. Der Verfasser ist sicherlich ein Ketzer, aber kein Atheist, kaum ein Unchrist. Weder der Koran noch das Neue Testament werden behandelt. Vielleicht hat der Verleger seine Vorlage absichtlich zu einem Fragment gemacht, um den berüchtigten Titel darübersetzen zu können, obgleich nur Moses genannt wird.
Das andere Büchlein "Traité des rois imposteurs" ist eine ausgesprochene Fälschung; sie wurde im Anfang des 18. Jahrhunderts vorgenommen, ein Druck von 1719 soll vollständig wieder vernichtet worden sein; die Schrift wurde dann durch viele Jahrzehnte als "L'Esprit de Mr. Spinoza" in Abschriften verbreitet und endlich 1776 gedruckt, mit einer sehr gründlichen und mit einer zweiten sehr albernen Geschichte der Handschrift. Wie der Herausgeber das Original seinem Besitzer oder Diebe abjagte, wie er einen Eid leistete, die lateinische Abhandlung nicht abzuschreiben, wie er sie trotz seines Eides ins Französische übersetzte, das ist sehr ergötzlich zu lesen. Der Versuch aber, das Machwerk für das legendäre Buch aus dem 13. Jahrhundert auszugeben, ist um so grotesker, als der Verfasser den Descartes schon kennt und von der Stiftung des Islam als von einem Ereignis spricht, das sich vor 1000 Jahren zugetragen hat. Eine vielfach merkwürdige deutsche Übersetzung dieses Büchleins, von 1787, kann übrigens den Beweis liefern (durch die Sprache und den Zeitgeschmack), daß die französische Fälschung wirklich schon zu Anfang des 18. Jahrhunderts vorlag. Die Untersuchung würde aber einen größeren Papierraum in Anspruch nehmen.

Ich weiß nicht, ob die neue Zeit, die man nach der blutigen Weltwende heraufkommen sieht, nur politische und wirtschaftliche oder auch religiöse Befreiungen verlangen wird, ob jede Art der Zensur aufhören wird. Reimarus hatte Selbstzensur geübt, um seines Amtes nicht entsetzt zu werden. Gegen Bodin hatten die Verleger von der Geschäftszensur Gebrauch gemacht, weil ein Buch wie "Heptaplomeres" nicht viele Käufer gefunden hätte. Die Zensur, die das Buch zu dem geflügelten Worte des Kaisers Friedrich im 13. Jahrhundert gar nicht erst schreiben ließ, war die Zensur des Zeitgeistes gegen ein Häuflein freidenkender Männer. Ich fürchte, es wir immer langsam vorwärts gehen, solange auf irgendeinem Gebiet Unterwerfung unter ein Dogma gefordert werden wird. Nicht nur die religiösen, auch die politischen und wirtschaftlichen Dogmen werden wie in der Vergangenheit die freiesten Gedanken und Bücher unterdrücken.

Samstag, 19. Mai 2007

Bücher

Es gibt Bücher, durch welche man alles erfährt und doch zuletzt von der Sache nichts begreift.Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)

Freitag, 11. Mai 2007

Europens Bücher

von Christian Morgenstern (1871 – 1914)

Korf ist fassungslos, und er entflieht,
wenn er nur Europens Bücher sieht.

Er versteht es nicht, wie man
zentnerschwere Bände leiden kann.

Und ihm graut, wie man dadurch den Geist
gleichsam in ein Grab von Stoff verweist.

Geist ist leicht und sollte darum auch
leicht gewandet gehn nach Geisterbrauch.

Doch der Europäer ruht erst dann,
wenn er ihn in Bretter 'binden' kann.

Dienstag, 8. Mai 2007

Wo lesen wir unsere Bücher?

von Peter Panter [i. e. Kurt Tucholsky (1890 – 1935)]

Wo –?
Im Fahren.
Denn in dieser Position, sitzend-bewegt, will der Mensch sich verzaubern lassen, besonders wenn er die Umgebung so genau kennt wie der Fahrgast der Linie 57 morgens um halb neun. Da liest er die Zeitung. Wenn er aber zurückfährt, dann liest er ein Buch. Das hat er in der Mappe. (Enten werden mit Schwimmhäuten geboren – manche Völkerschaften mit Mappe.) Liest der Mensch in der Untergrundbahn? Ja. Was? Bücher. Kann er dort dicke und schwere Bücher lesen? Manche können es. Wie schwere Bücher? So schwer, wie sie sie tragen können. Es geht mitunter sehr philosophisch in den Bahnen zu. Im Autobus nicht so – der ist mehr für die leichtere Lektüre eingerichtet. Manche Menschen lesen auch auf der Straße … wie die Tiere.
Die Bücher, die der Mensch nicht im Fahren liest, liest er im Bett. (Folgt eine längere Exkursion über Liebe und Bücher, Bücher und Frauen – im Bett, außerhalb des Bettes … gestrichen.) Also im Bett. Sehr ungesund. Doch – sehr ungesund, weil der schiefe Winkel, in dem die Augen auf das Buch fallen … fragen Sie Ihren Augenarzt. Fragen Sie ihn lieber nicht; er wird Ihnen die abendliche Lektüre verbieten, und Sie werden nicht davon lassen – sehr ungesund. Im Bett soll man nur leichte und unterhaltende Lektüre zu sich nehmen sowie spannende und beruhigende, ferner ganz schwere, wissenschaftliche und frivole sowie mittelschwere und jede sonstige, andere Arten aber nicht.
Dann lesen die Leute ihre Bücher nach dem Sonntagessen – man kann in etwa zwei bis zweieinhalb Stunden bequem vierhundert Seiten verschlafen.
Manche Menschen lesen Bücher in einem Boot oder auf ihrem eigenen Bauch, auf einer grünen Wiese. Besonders um diese Jahreszeit.
Manche Menschen lesen, wenn sie Knaben sind, ihre Bücher unter der Schulbank.
Manche Menschen lesen überhaupt keine Bücher, sondern kritisieren sie.
Manche Menschen lesen die Bücher am Strand, davon kommen die Bücher in die Hoffnung. Nach etwa ein bis zwei Wochen schwellen sie ganz dick an – nun werden sie wohl ein Broschürchen gebären, denkt man – aber es ist nichts damit, es ist nur der Sand, mit dem sie sich vollgesogen haben. Das raschelt so schön, wenn man umblättert . . .
Manche Menschen lesen ihre Bücher in … also das muß nun einmal ernsthaft besprochen werden.
Ich bin ja dagegen. Aber ich weiß, daß viele Männer es tun. Sie rauchen dabei und lesen. Das ist nicht gut. Hört auf einen alten Mann – es ist nicht gut.
Erstens, weil es nicht gut ist, und dann auch nicht hygienisch, und es ist auch wider die Würde des Dichters, der das Buch geschrieben hat und überhaupt. Gewiß, kann man sich Bücher vorstellen, die man nur dort lesen sollte, ‚Völkische Beobachter’ und dergleichen. Denn sie sind hinterher unbrauchbar: so naß werden sie. Man soll in der Badewanne eben keine
Bücher lesen. (Aufatmen des gebildeten Publikums.)
Merke: Es gibt nur sehr wenige Situationen jedes menschlichen Lebens, in denen man keine Bücher lesen kann, könnte, sollte … Wo aber werden diese Bücher hergestellt? Das ist ein anderes Kapitel.

Freitag, 9. März 2007

Lesen

'Lesen' heißt mit einem fremden Kopfe statt des eigenen denken.Es wäre gut Bücher kaufen, wenn man die Zeit, sie zu lesen, mitkaufen könnte, aber man verwechselt meistens den Ankauf der Bücher mit dem Aneignen des Inhalts.Arthur Schopenhauer (1788 – 1860)Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen.Einen Roman zu schreiben, mag ein reines Vergnügen sein. Nicht ohne Schwierigkeiten ist es bereits, einen Roman zu erleben. Aber einen Roman zu lesen, davor hüte ich mich, so gut es irgend geht.Karl Kraus (1874 – 1936)

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2017 in 4. Auflage erschienen:


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IN MEMORIAM


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HELMUT ZEH

† 1. Juli 2005

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