von Wilhelm Busch (1832 – 1908)
Es kamen mal zwei Knaben
An einen breiten Graben.
Der erste sprang hinüber,
Schlankweg je eh'r je lieber;
War das nicht keck?
Der zweite, fein besonnen,
Eh er das Werk begonnen,
Sprang in den Dreck.
Clarisse1 - 29. Apr, 11:21
Wenn dich jemand "vollkommen versteht", sei gewiß, daß dich niemand vollkommener mißversteht.Christian Morgenstern (1871 – 1914)
Clarisse1 - 28. Apr, 10:33
Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen, und es klingt hohl, ist das allemal im Buch?Georg Christoph Lichtenberg (1742 – 1799)
Alles Leben in Staat und Gesellschaft beruht auf der stillschweigenden Voraussetzung, daß der Mensch nicht denkt. Ein Kopf, der nicht in jeder Lage einen aufnahmsfähigen Hohlraum darstellt, hat es gar schwer in der Welt.
Es gibt seichte und tiefe Hohlköpfe.Karl Kraus (1874 – 1936)
Clarisse1 - 27. Apr, 15:13
von Edith Södergran (1892 – 1923)
Deine Liebe verdunkelt meinen Stern –
Der Mond geht auf in meinem Leben.
Meine Hand ist nicht zu Hause in der deinen.
Deine Hand ist Begier, –
meine Hand ist Sehnsucht.
Informationen zu Edith Södergran
Clarisse1 - 26. Apr, 12:31
von Alfred Lichtenstein (1889 – 1914)
Ein dicker Junge spielt mit einem Teich.
Der Wind hat sich in einem Baum gefangen.
Der Himmel sieht verbummelt aus und bleich,
Als wäre ihm die Schminke ausgegangen.
Auf lange Krücken schief herabgebückt
Und schwatzend kriechen auf dem Feld zwei Lahme.
Ein blonder Dichter wird vielleicht verrückt.
Ein Pferdchen stolpert über eine Dame.
An einem Fenster klebt ein fetter Mann.
Ein Jüngling will ein weiches Weib besuchen.
Ein grauer Clown zieht sich die Stiefel an.
Ein Kinderwagen schreit und Hunde fluchen.
Clarisse1 - 24. Apr, 08:38
von August Stramm (1874 – 1915)
Pralle Wolken jagen sich in Pfützen
Aus frischen Leibesbrüchen schreien Halme Ströme
Die Schatten stehn erschöpft.
Auf kreischt die Luft
Im Kreisen, weht und heult und wälzt sich
Und Risse schlitzen jählings sich
Und narben
Am grauen Leib.
Das Schweigen tappet schwer herab
Und lastet!
Da rollt das Licht sich auf
Jäh gelb und springt
Und Flecken spritzen –
Verbleicht
Und
Pralle Wolken tummeln sich in Pfützen.
Clarisse1 - 23. Apr, 18:01
von Christian Morgenstern (1871 – 1914)
Soll i aus meim Hause 'raus?
Soll i aus meim Hause nit 'raus?
Einen Schritt 'raus?
Lieber nit 'raus?
Hausenitraus –
Hauseraus
Hauseritraus
Hausenaus
Rauserauserauserause
(Die Schnecke verfängt sich in ihren eigenen Gedanken,
oder vielmehr diese gehen mit ihr dermaßen durch, daß
sie die weitere Entscheidung der Frage verschieben muß.)
Clarisse1 - 22. Apr, 12:51
Es ist in vielen Dingen eine schlimme Sache um die Gewohnheit. Sie macht, daß man Unrecht für Recht und Irrtum für Wahrheit hält.Georg Christoph Lichtenberg (1742 – 1799)
Clarisse1 - 21. Apr, 11:48
Der Philister langweilt sich und sucht die Dinge, die ihn nicht langweilen. Den Künstler langweilen die Dinge, aber er langweilt sich nie.Der Philister möchte immer, daß ihm die Zeit vergeht. Dem Künstler besteht sie.Die Kunst ist dem Philister der Aufputz für des Tages Müh' und Plage. Er schnappt nach dem Ornament, wie der Hund nach der Wurst.Der Philister lebt in einer Gegenwart, die mit Sehenswürdigkeiten ausgestattet ist, der Künstler strebt in eine Vergangenheit, eingerichtet mit allem Komfort der Neuzeit.Karl Kraus (1874 – 1936)
Clarisse1 - 18. Apr, 23:31
Der Losgeher hat nichts zu verlieren. Der andere nähert sich einer Frau nicht, weil er einen ganzen Lebensinhalt, den er zitternd trägt, aus der Hand fallen lassen könnte.Karl Kraus (1874 – 1936)
Clarisse1 - 18. Apr, 00:08
von Theobald Tiger [i. e. Kurt Tucholsky (1890 – 1935)]
Was – was ist?
Ach so. Heute ist Sonntag. Da kann ich noch liegen.
Mit den Schultern kuscheln. Mich ans Kopfkissen schmiegen –
Aus alter Gewohnheit wacht man sonntags immer
so früh auf wie wochentags – das kommt vielleicht von dem Schimmer
da von den Jalousien – was ist denn das für ein Geratter und Gebraus?
Na, jedenfalls heute muß ich nicht raus.
Ich kann heute ganz stille liegen und ruhn.
Und muß gar nichts. Und hier kann mir keiner was tun.
So ein Bett ist eigentlich eine schöne Sache –
da müßte noch so eine Sonnenplache
drüber sein, und dann fährt man damit überall hin.
Woher kommt das, daß ich heute so furchtbar müde bin –?
Gestern abend haben wir wesentlich zu viel Schwedenpunsch getrunken,
Paul war zum Schluß ganz in seinen Sessel versunken;
ich habe auch noch so einen komischen Geschmack im Mund
und – –
Halb neun! Da muß ich richtig wieder eingeschlafen sein.
Sonntagsmorgen im Bett, das ist fein.
Das heißt: Was nun noch kommt, ist weniger schön . . .
Heute muß ich zu Onkel Otto und Tante Frieda gehn –
Margot ist auch da, die keusche Lilie . . .
Warum, lieber Gott, ist man sonntags stets in Familie?
Vor Tisch sind sie beleidigt, und nach Tisch sind sie satt –
wenn ich dran denke, wird mir jetzt schon ganz matt.
Abends ist Theater . . . morgen muß ich unbedingt mal mit Kempner telefonieren:
Er muß mir die Diele billiger tapezieren –
achtzig ist zu viel – der Junge ist wohl nicht ganz gesund!
und – –
Halb zehn!
»Willi! Aufstehn! Aufstehn!«
Ja doch, ja!
Ich stehe ja schon auf, Mama –
Jetzt geht der Sonntag los! Nein: eigentlich ist er jetzt vorbei.
Jetzt kommen die Zeitungen und Briefe und Telefon und Geschrei.
Das ist nun weniger geruhsam und labend . . .
Aber so ist das im Leben:
Das Schönste vom Sonntag ist der Sonnabend Abend.
Clarisse1 - 15. Apr, 09:58
Der Philister, der nicht imstande ist, sich eine Gemütserhebung selbst zu besorgen, muß unaufhörlich an die Schönheit des Lebens erinnert werden. Selbst zur Liebe bedarf er einer Gebrauchsanweisung.Karl Kraus (1874 – 1936)
Clarisse1 - 14. Apr, 12:31
... die nur aus dem Grunde in jeder Suppe ein Haar finden, weil sie, wenn sie davorsitzen, so lange den Kopf schütteln, bis eins hineinfällt.... die heute Sozialisten und Rebellen sind und morgen Verwaltungsräte. Die sind Personifikationen der Seelenwanderung.... die gar nicht ins Allgemeine denken können, sondern immer am Faktum (das sie oft erst selbst in Gedanken erschaffen) kleben bleiben.Friedrich Hebbel (1813 – 1863)
Clarisse1 - 13. Apr, 13:18
Du hast ihm eine Gelegenheit gegeben, Größe des Charakters zu zeigen, und er hat sie nicht benutzt. Das wird er dir nie verzeihen.Friedrich Nietzsche (1844 – 1900)
Clarisse1 - 12. Apr, 00:09
Die Menschen haben viele absonderliche Tugenden erfunden, aber die absonderlichste von allen ist die Bescheidenheit. Das Nichts glaubt dadurch etwas zu werden, daß es bekennt: ich bin nichts!Friedrich Hebbel (1813 – 1863)
Clarisse1 - 11. Apr, 11:30