Freitag, 17. August 2007

Aus: "Schnipsel" 1932

von Peter Panter [i. e. Kurt Tucholsky (1890 – 1935)]

Ich habe auf meinem Wege immer wieder Leute angetroffen – Verleger, Frauen, Journalisten, Kaufleute –, die glauben, man sei erledigt, wenn sie einen ignorieren. Sie können sich nicht vorstellen, daß es auch ohne sie gehe. So tief ist der Mensch davon überzeugt, daß er Wert verleihe, daß kein Wert außer ihm sei und daß er fremdes Dasein auslösche, wenn er nicht mehr an ihm teilnimmt. Sie wissen nicht, daß es dreitausendvierhundertundachtundsechzig Daseins-Ebenen gibt, mit eben so vielen Arten von Publikum, so viel Wirkungsmöglichkeiten, viele Leben nebeneinander. (Nicht übereinander.) Und daß man die Menschheit nicht danach einteilen kann, je nachdem sie für oder gegen Herrn Panter ist. Extra Panterum etiam est vita. Auch außerhalb unsrer Sphäre leben andre Leute ein Leben: das ihre.

Donnerstag, 16. August 2007

Aufgespießt VII

Sehe ich mir die Tagesliteratur an, dann denke ich manchmal: Das haben sich die Schreibmaschinen allein gedichtet.Peter Panter [i. e. Kurt Tucholsky (1890 – 1935)]

Mittwoch, 15. August 2007

Neid

Der Neid hat merkwürdige Anlagen: zum Kritiker, Satiriker, zum Reformator – sogar zum Moralisten.Emanuel Wertheimer (1846 – 1916)

Dienstag, 14. August 2007

Dummheiten

Alberne Leute sagen Dummheiten, gescheite Leute machen sie.Marie von Ebner-Eschenbach (1830 – 1916)

Samstag, 11. August 2007

CAFÉ-KULTUR

von Ignaz Wrobel [i. e. Kurt Tucholsky (1890 – 1935)]

"Daß das wahrhaft Gute sich immer durchsetzt, dafür liefert einen eklatanten Beweis das … Café, welches sich trotz der Hochflut von Neuerscheinungen dauernd in der Gunst des Publikums auf dem Berliner Westen behauptet. Und dies kann auch bei der Originalität dieses Cafés kaum Wunder nehmen. Man empfindet immer wieder die wohltuende Wirkung abgetönter Beleuchtung, stilvoller Dekorationen und all dessen, was eine gediegene Innenarchitektur anregend und doch maßvoll geschaffen hat. Speisen und Getränke entsprechen der Fashionabilität des Lokals. Über dem ganzen schweben die Harmonien der Musik eines …, eines Meisters fein anregenden Stils, während jeden Nachmittag der aus Rußland engagierte berühmte Geigenkünstler … konzertiert. Inmitten dieses Milieus von nobler Ästhetik und wonnigem Behagen bei einer exakten Bedienung der nach Art der Pariser Boulevard-Cafés gekleideten Kellner seine Melange zu schlürfen, ist ein wahrhaft kultivierter Genuß. Und so hat sich denn auch das … Café zu einem bleibenden Rendezvous der Leute von Geschmack in Berlin W. herausgebildet."
Das ist eine Annonce, und das sind Phrasen. Gut. Aber ein Lokal, in dem man eigentlich nur etwas zu essen und zu trinken bekommt, wird wirklich von den Leuten von Ungeschmack so echt empfunden, wie es das Reklamegeschwätz unecht ausdrückt. Das Café hat in dieser Stadt eine ganz eigentümliche Entwicklung durchgemacht. Was es in Wien ist, weiß man, und wir Norddeutschen haben wohl von München gehört, daß Schriftsteller oder Schauspieler dieses oder jenes Café bevorzugten. Hier kannten wir dergleichen früher nicht. Es gab wohl eines, dessen Besucher auch nach außen hin nichts unterließen, um ihre inneren Fähigkeiten zu dokumentieren, aber im großen und ganzen hatten wir doch mehr Konditoreien, artige kleine Räume mit roten Samtmöbeln, in denen sich Liebespaare trafen, küßten und einen Apfelkuchen verzehrten.
Heute …! Heute sind wir so weit gekommen, daß der Berliner, der abends zu Hause bleibt, nächstens noch polizeilich bestraft wird. Man geht aus. Und die Psychologie der Ausgeher ist merkwürdig und unverständlich, wie ihr ganzes Gehaben. Das Café, das immer phantastischere Namen bekommt – wir haben schon ein Luxus-Café –, wird von diesen Menschen wirklich als ein sympathischer Kulturträger der Moderne empfunden. Nicht wahr, da ist ein rauchiger Raum, mehr oder weniger bunt, denn auch das gute Kunstgewerbe hat sich der Cafés angenommen, und meist sind sie hübsch und aufdringlich eingerichtet, dicke Rauchschwaden ziehen durch die Luft, hinten schnarrt und quiekt eine Kapelle, es riecht nach Bier, Kaffee, Speisen und vielen menschlichen Parfums. Ich habe eine Menge Cafés gesehen, solche mit Brillantenschiebern und Kokotten und einem biederen Künstlerpublikum und solche mit ausschweifenden Bourgeois und mit Ladenjünglingen und ihren Verhältnissen … Ich habe nie begreifen können, was die vor Langeweile glotzenden Besucher in diesen Räumlichkeiten wollten. Wahrscheinlich muß man einmal unter Menschen sein und sich den Wind der Großstadt um die Nase wehen lassen, und überhaupt etwas sehen, wofür der Berliner einen ungemein bezeichnenden Ausdruck geprägt hat: den Betrieb. Betrieb ist etwas Undefinierbares, erinnert leicht an das geschäftsmäßige Gebaren in einer Fabrik und faßt das Café wohl nicht zu Unrecht als Amüsier-Werkstatt auf. "Da ist ein mächtiger Betrieb" – das heißt: da gehen viele Leute hinein, kommen viele heraus. Das Ganze ist etwas lärmend, laut, knallig und durchaus nicht sehr wohlfeil. Die Caféhausbesitzer plakatieren geradezu: "Stimmung! Humor! Betrieb!" Es ist verwunderlich, woher sie das vorher so genau wissen. Sie wissens, weil der Berliner, gehorsam, wie er ist, sich sogar seine inneren Gefühle oder das, was er dafür hält, durch ein Reklameschlagwort oktroyieren läßt.
Aber wenn man schon oktroyiert: vielleicht reden wir dem Berliner noch das Heim auf? – Das eigene Heim … wie er seine Mietswohnung zu titulieren beliebt? – "Heut gehn wa nich nach Hause, – heut gehn wa nich zu Bett …!" – Passé, meine Lieben, passé! "Man" bleibt jetzt wieder zu Hause, in der letzten Zeit! – In England, die feinsten Leute, alles zu Hause! – Und ich bin überzeugt, wenn einmal die Mode aufkommt, die dem Berliner auferlegt, zu Hause zu bleiben, weil das schick sei, – er bekommt es fertig, sich um einen fingierten Kamin zu placieren, ein Buch hervorzuholen und gemütlich zu Hause zu bleiben. Das wäre der einzige Weg, ihn daran zu erinnern, daß er auch eine Wohnung besitzt. Und es steht zu hoffen, daß er an ihr so viel Geschmack gewinnen wird, daß er auch noch zu Hause bleibt, wenn es wieder schick ist, auszugehen.

Donnerstag, 9. August 2007

Ohne Titel

Ein langweiliges Buch schreiben ist leichter, als eines lesen.Emanuel Wertheimer (1846 – 1916)

Mittwoch, 8. August 2007

Erwischt!

Erwischtes Laster verzeiht eher als erwischte Dummheit.Wilhelm Busch (1832 – 1908)

Sonntag, 5. August 2007

Ohne Titel

Dem Engherzigen mangelt es an Raum für große Gefühle.

Freitag, 3. August 2007

Der personifizierte böse Blick


"Niemand war und ist mir eine empfindlichere Geißel als der richterlich geartete Mitmensch. Er ist für mich der personifizierte böse Blick. Vor ihm erschrickt alles Lebendige in mir so tief, als hätte der Tod selbst es gestreift. So mag eine Pflanze aufhören zu wachsen, wenn sie ein schlimmer Zauberer anhaucht. Sie will gern von Wind, Regen und Kälte vernichtet werden, und wenn sie jemand zertritt, so wird sie es als etwas Natürliches hinnehmen, aber sich bei lebendigem Leibe von einem anderen lebenden Wesen schlechtweg in Frage stellen, verneinen, für unfähig, für einen Irrtum erklären lassen zu müssen und das nicht etwa unter einem Feuer von Leidenschaft, sondern kalt, vorbedacht – das ist unerträglich."

Christian Morgenstern (1871 – 1914)

Mittwoch, 1. August 2007

Aufgespießt VI

Wer nicht Temperament hat, muß Ornament haben. Ich kenne einen Schriftsteller, der es sich nicht zutraut, das Wort 'Skandal' hinzuschreiben, und deshalb 'Skandalum' sagen muß. Denn es gehört mehr Kraft dazu, als er hat, um im gegebenen Augenblick das Wort 'Skandal' zu sagen.Karl Kraus (1874 – 1936)

Dienstag, 31. Juli 2007

Das Warenhaus

von Christian Morgenstern (1871 – 1914)

Palmström kann nicht ohne Post
leben:
Sie ist seine Kost.

Täglich dreimal ist er ganz
Spannung.
Täglich ists der gleiche Tanz.

Selten hört er einen Brief
plumpsen
in den Kasten breit und tief.

Düster schilt er auf den Mann,
welcher,
wie man weiß, nichts dafür kann.

Endlich kommt er drauf zurück,
auf das:
"Warenhaus für Kleines Glück".

Und bestellt dort, frisch vom Rost
(quasi):
ein Quartal – "Gemischte Post"!

Und nun kommt von früh bis spät
Post von
aller Art und Qualität.

Jedermann teilt sich ihm mit,
brieflich,
denkt an ihn auf Schritt und Tritt.

Palmström sieht sich in die Welt
plötzlich
überall hineingestellt . . .

Und ihm wird schon wirr und weh . . .
Doch es
ist ja nur das – "K.W.G."

Montag, 30. Juli 2007

Eifersucht

Eifersucht hat eine unkeusche Phantasie.Emanuel Wertheimer (1846 – 1916)

Samstag, 28. Juli 2007

Bescheidenheit

Dem Bescheidenen zustimmen, heißt ihm widersprechen.Emanuel Wertheimer (1846 – 1916)

Freitag, 27. Juli 2007

Aus stillen Fenstern

Christian Morgenstern (1871 – 1914)

Wie oft wirst du gesehn
aus stillen Fenstern,
von denen du nichts weißt . . .
Durch wieviel Menschengeist
magst du gespenstern,
nur so im Gehn . . .

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"Es gibt Worte, die nie gesagt werden dürfen, sonst sterben sie ..." – Kurt Tucholsky

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"Wer ein Buch zusammenstellt mit hilfreicher Weisheit, erdacht von anderen Köpfen, leistet der Menschheit einen größeren Dienst als der Verfasser eines Epos' der Verzweiflung." – Ella Wheeler Wilcox (1850 – 1919)

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IN MEMORIAM


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HELMUT ZEH

† 1. Juli 2005

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