Sprache

Mittwoch, 13. Juni 2007

Praktisch

von Peter Panter [i. e. Kurt Tucholsky (1890 – 1935)]

Eine Menge deutscher Sprachunarten scheinen aus dem Englischen zu kommen. 'Praktisch' kommt wohl auch daher.
Das Wort wurde früher im Sinne von nützlich, bequem gebraucht – wenn man von der etwas altmodischen Zusammensetzung wie praktischer Arzt absieht. Eine Vorrichtung war für den Benutzer praktisch – das Wort war zwar nicht schön, doch seine Bedeutung recht klar. Jetzt hat sich etwas Neues eingebürgert.
Die Adverbialkrankheit, die die deutsche Sprache durchzieht, läßt ‚praktisch’ als Adverb auftauchen. Die Brille blitzt, und los gehts: „Theoretisch können Sie ja Armenunterstützung beanspruchen, aber praktisch werden Sie sie kaum bekommen.“ Also bekomme ich sie nicht – was quatscht mich die Sprache da an! Gemeint ist: in Wahrheit, in Wirklichkeit – im Gegensatz zu einer Abstraktion, die ja kein guter Deutscher außer acht läßt.
Nun ist aber dieser Zusatz, der vielleicht in dem englischen ‚practically’ seinen Ursprung hat, völlig überflüssig. Es ist eines jener Wörter, die die deutsche Sprache so unleidlich aufblähen – viele Leute können ja überhaupt nicht mehr sprechen, sondern nur noch einen Brei von Terminologien zusammensprudeln. „Er wird praktisch sein Amt nicht ausüben…“ das ist doch Wahnwitz. Ob er es nach den Buchstaben irgend eines toten Buches ausüben könnte, will ja niemand wissen – übt er es aus oder übt er es nicht aus? Er übt es nicht aus. Dann sags.
Die verteufelte Anwendung dieses dummen Wortes entstammt der Wichtigtuerei, von der so mancher besessen ist – den Leuten ist nicht wohl, wenn sie einfach sagen sollten: „Er mag keine Gurken.“ Das freut ja keinen. „Er hat einen Gurkenkomplex“ – so heißt das. Und daher auch: „Praktisch wird den Arbeitslosen keiner entschädigen.“ Dahinter sitzt dann jene Rückversicherung, der Blick auf die Theorie: es gibt vielleicht ein Gesetz, wonach der Arbeitslose entschädigt werden müßte, oho! hier herrscht Ordnung! – aber was ein richtiges Gesetz ist, das ist längst durch eine Notverordnung aufgehoben. Denn wir haben eine Verfassung. Aber praktisch…

Dienstag, 29. Mai 2007

Nicht wahr?

von Theobald Tiger [i. e. Kurt Tucholsky (1890 – 1935)]

Die deutsche Umgangssprache ist in den letzten Jahren arg heruntergekommen. Das läßt sich vor allem daran beobachten, daß kaum einer mehr fähig ist, ohne die nichtssagenden Floskeln auszukommen, die jede Rede verunzieren.
Sehn Sie mal, der Berliner, ich meine, der hat das offenbar vom Hamburger übernommen, nicht wahr? Ich meine, das ist eine große Unsitte. „Sehn Sie mal, ich habe doch eine achtundzwanzigjährige Nichte, nicht? Und die ist doch taubstumm, nicht?“ –
Durch diese Flickwörter bekommt die deutsche Umgangssprache etwas Unsicheres, Tastendes, Zaghaftes. Die Sätze verhallen, wie wenn einer alles mit drei Punkten am Schluß sprechen würde… nicht? Ja, es gilt geradezu als unfein und wenig höflich, einfach zu sagen, was man will. „Geben Sie mir, bitte, die Streichhölzer!“ – das ist eine ausgemachte Grobheit. „Geben Sie mir doch mal, bitte, eben die Streichhölzer rüber!“ muß es heißen.
Ach, dieses „doch!“ – Sie flicken es überall ein, und es bedeutet einmal das lateinische inter omnes constat, unser deutsches „bekanntlich“. Dann aber wird durch die vielen Dochs die Sprache auch rechthaberisch und ganz egozentrisch. „Geh doch da weg!“ – „Schreib doch mal an Tante Amalia!“ – „Wir wohnen doch schon lange da!“ –
Niemand denkt sich mehr etwas dabei, wenn er so daherplappert, und man kann die Flickwörter alle fortlassen, ohne daß der Sinn des Satzes etwa verlorenginge. Man muß einmal mit angehört haben, wieviel Sätze der Nord- und Mitteldeutsche braucht, um auszudrücken, daß ihm etwas zu teuer ist. Ich dachte früher immer, dazu genüge einer: „Das ist mir zu teuer.“ Jawohl! So, wie andre Leute in Begriffen denken, so denkt der Deutsche in ganzen Sätzen, die ihm sektionsweise aus dem Munde kullern. Etwa so:
„Was? Drei Mark und achtzig? Das ist ja unerhört, was Sie für Preise verlangen! Drei Mark und achtzig? Vor einem halben Jahr hat es noch zwei Mark und fünfundsiebzig gekostet! Aber da überteuern Sie die Leute, das ist ja der reine Wucher ist das! Ich meine, ich bin doch hier in einem bessern Geschäft, ich meine, da könnte man doch andre Preise verlangen, nicht?“ –
Singts und bezahlt. Der Tonfall aber der neuen deutschen Umgangssprache, den du überall erlauschst, klingt nicht lieblich vor deinen Ohren, und voller Sehnsucht flüchtest du dich zu den alten deutschen Meistern edler Prosa und fragst dich verwundert, ob denn früher die Leute auch so gesprochen haben.

Denn, sehn Sie mal, ich meine, nicht wahr, das ist doch nicht… wie?

Samstag, 3. März 2007

Kurt Tucholsky (1931):

Das Englische ist eine einfache, aber schwere Sprache. Es besteht aus lauter Fremdwörtern, die falsch ausgesprochen werden.

Sonntag, 25. Februar 2007

Marie von Ebner-Eschenbach:

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HELMUT ZEH

† 1. Juli 2005

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