Dienstag, 1. Januar 2008

Unterwegs und wieder daheim

von Theodor Fontane (1819 – 1898)

3.

Und wieder hier draußen ein neues Jahr –
Was werden die Tage bringen?!
Wird's werden, wie es immer war,
Halb scheitern, halb gelingen?

Wird's fördern das, worauf ich gebaut,
Oder vollends es verderben?
Gleichviel, was es im Kessel braut,
Nur wünsch' ich nicht zu sterben.

Ich möchte noch wieder im Vaterland
Die Gläser klingen lassen
Und wieder noch des Freundes Hand
Im Einverständnis fassen.

Ich möchte noch wirken und schaffen und tun
Und atmen eine Weile,
Denn um im Grabe auszuruhn,
Hat's nimmer Not noch Eile.

Ich möchte leben, bis all dies Glühn
Rückläßt einen leuchtenden Funken
Und nicht vergeht wie die Flamm' im Kamin,
Die eben zu Asche gesunken.

Aus dem Silvestertraum gesprochen

von Karl Kraus (1874 – 1936)

[. . .] Wenn man seinem eigenen G e f ä n g n i s entspringt, zu Silvester geschieht es risikolos, am nächsten Tag wird man w i e d e r
e i n g e f a n g e n und in die Z e l l e seiner Lebensgewohnheiten gesperrt.
_________________________________________
Aus: "Die Fackel" Nr. 751–756, Februar 1927, S. 112

Was würden Sie tun,

wenn Sie das neue Jahr regieren könnten?
von Joachim Ringelnatz (1883 – 1934)

Ich würde vor Aufregung wahrscheinlich
Die ersten Nächte schlaflos verbringen
Und darauf tagelang ängstlich und kleinlich
Ganz dumme, selbstsüchtige Pläne schwingen.

Dann – hoffentlich – aber laut lachen
Und endlich den lieben Gott abends leise
Bitten, doch wieder nach seiner Weise
Das neue Jahr göttlich selber zu machen.

Neujahrsseufzer eines Studenten

von Christian Friedrich Daniel Schubart (1739 – 1791)

O Himmel! höre mein Gebet,
Das aus der Seele zu dir fleht,
Und gib mir in der neuen Zeit
Jerusalems Beredsamkeit;
Die Sprachen aus dem Orient,
Wie sie ein Michaelis kennt;
Latein und Griechisch, weiter nicht,
Wie Heyne und Ernesti spricht;
Französisch, Englisch, Wälsch – nur so,
Wie Voltaire, Hume und Metastasio;
Mach mich zu einem Antiquar,
Wie einstens Winckelmann es war;
Zum Schönen gib mir ein Gesicht,
Wie Mengs und Füeßli, weiter nicht!
Der Weisheit populären Ton
Gib mir von Kant und Mendelssohn,
Geschichte nur so obenhin,
Wie Gatterer und Häberlin;
Geographie wie Büsching nur,
Und Hallers Kenntniß der Natur.
Musik begehr' ich nicht zuviel,
Nur Bachs und Lollis Saitenspiel;
Und Klopstocks ziemliches Genie
Zu einem bischen Poesie –
Und endlich – Hm! – zum Zeitvertreib
Wielands Musarion zum Weib!

Ins neue Jahr

von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798 – 1874)

So singen wir, so trinken wir
Uns froh hinein ins neue Jahr.
Die Hoffnung wartet unser dort,
Sie sprach: "Kommt mit! ich ziehe fort
Ins neue Jahr."

So singen wir, so trinken wir
Uns froh hinein ins neue Jahr.
Drum, wer's nicht froh beginnen kann,
Der fang es lieber gar nicht an,
Das neue Jahr!

Neujahr

von Achim von Arnim (1781 – 1831)

Altes Jahr, du ruhst in Frieden,
Deine Augen sind geschlossen;
Bist von uns so still geschieden
Hin zu himmlischen Genossen,
Und die neuen Jahre kommen,
Werden auch wie du vergehen,
Bis wir alle aufgenommen
Uns im letzten wiedersehen.
Wenn dies letzte angefangen,
Deutet sich dies Neujahrgrüßen,
Denn erkannt ist dies Verlangen,
Nach dem Wiedersehn und Küssen.

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HELMUT ZEH

† 1. Juli 2005

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