Sonntag, 20. Januar 2008

An ihn

von Louise Aston (1814 – 1871)

Kann ich lindern dieses Sehnen,
Das mich träumend Dir vereint?
Dir verhaßt sind diese Thränen,
Die der blasse Kummer weint;
Die ein Opfer des Geschickes
Weint am Grab entschwund'nen Glückes! –
"Ihre Todten zu begraben,
Laß' die Todten sich bemüh'n!
Doch des Lebens reichste Gaben
Mögen den Lebend'gen blüh'n.

Ewig soll's im Herzen lenzen,
Neue Triebe, neue Kraft!
Und mit frischen Blüthenkränzen
Schmücke sich die Leidenschaft!
Was im Sturm der Zeit verloren,
Sei verjüngt und neugeboren!
Wenn der Sonne Glanz versunken,
Wenn verglüht des Tages Pracht;
Steige auf, von Wonne trunken,
Gluterfüllte Liebesnacht!" –

Und doch rührt mich frisches Leben
Nicht mit seinem Zauberstab.
Träumende Gedanken schweben
Um entschwund'ner Zeiten Grab;
Und es grüßt die bange Klage
Abendroth versunk'ner Tage.
Will ich kräftig mich ermannen,
Fliehen der Erinn'rung Fluch;
Fehlt, die Geister fortzubannen,
Mir der mächt'ge Zauberspruch!

Schau' umher ich tiefbekümmert,
Alles wird zur Elegie;
Und im Innersten zertrümmert
Ist der Seele Harmonie;
Klagend in Erinnerungen,
Eine Glocke, die gesprungen!
Wer dem machterfüllten Beben
Ihrer Töne einst gelauscht;
Hört, wie jetzt zerriss'nes Leben
In gebroch'nen Klängen rauscht.

Schöne Tage, kehret wieder!
Bringt das Herrliche zurück!
Seiner Freiheit wilde Lieder;
Seiner Liebe mildes Glück!
Ja, vergessen war mein Dulden,
Und vergeben mein Verschulden!
Deiner Lehre treuer Jünger
Weint' ich keinem Glücke nach,
Denn ein neuer Freudenbringer
Stieg empor der neue Tag.

Sprach'st Du mir von Männerwürde,
Von der Freiheit Herrlichkeit,
Warf ich eig'ner Sorgen Bürde
In das weite Meer der Zeit.
Eine Schranke muß ja fallen,
Und ein Morgen tagt uns allen!
Wenn den unterdrückten Knechten
Erst der Freiheit Sonne scheint;
Wird das Weib mit gleichen Rechten
Einst dem freien Mann vereint.

Nimmer lausch' ich mehr dem Worte,
Das mein Innerstes durchklang;
Pochend an der Zukunft Pforte
In der Jugend Thatendrang,
Raubend von des Himmels Heerde
Licht und Feuer für die Erde.
Solcher Liebe heißes Werben
Wurde rasch des Friedens Grab;
Und in seliges Verderben
Stürzt' ich freudig mich hinab. –

Kann ich lindern dieses Sehnen,
Das mich träumend Dir vereint?
Dir verhaßt sind diese Thränen,
Die der blasse Kummer weint!
Wohl! so will ich schmerzhaft ringen,
Finst're Trauer zu bezwingen: –
"Ihre Todten zu begraben,
Laß die Todten sich bemüh'n;
Doch des Lebens reichste Gaben
Mögen den Lebend'gen blüh'n!"

Aus: Wilde Rosen (1846)

Der Literat

von Hugo Ball (1886 – 1927)

Ich bin der große Gaukler Vauvert.
In hundert Flammen lauf ich einher.
Ich knie vor den Altären aus Sand,
Violette Sterne trägt mein Gewand.
Aus meinem Mund geht die Zeit hervor,
Die Menschen umfaß ich mit Auge und Ohr.

Ich bin aus dem Abgrund der falsche Prophet,
Der hinter den Rädern der Sonne steht.
Aus dem Meere, beschworen von dunkler Trompete,
Flieg ich im Dunste der Lügengebete.
Das Tympanum schlag ich mit großem Schall.
Ich hüte die Leichen im Wasserfall.

Ich bin der Geheimnisse lächelnder Ketzer,
Ein Buchstabenkönig und Alleszerschwätzer.
Hysteria clemens hab ich besungen
In jeder Gestalt ihrer Ausschweifungen.
Ein Spötter, ein Dichter, ein Literat
Streu ich der Worte verfängliche Saat.

Helfen Sie mit!


Herzlich willkommen!


Hier geht's zum Log-in:

Sinniges


"Es gibt Worte, die nie gesagt werden dürfen, sonst sterben sie ..." – Kurt Tucholsky

Sofort lesen!


"Wer ein Buch zusammenstellt mit hilfreicher Weisheit, erdacht von anderen Köpfen, leistet der Menschheit einen größeren Dienst als der Verfasser eines Epos' der Verzweiflung." – Ella Wheeler Wilcox (1850 – 1919)

2017 in 4. Auflage erschienen:


... mehr

2010 erschienen:


Lektüreempfehlung

2018 in 3. Auflage erschienen:


... mehr

IN MEMORIAM


♫ ♪ ♫ ♪ ♫ ♪ ♫ ♪ ♫

HELMUT ZEH

† 1. Juli 2005

♫ ♪ ♫ ♪ ♫ ♪ ♫ ♪ ♫

Archiv


Januar 2008
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 6 
 8 
 9 
10
27
 
 
 
 

Haftungsausschluss


Ich übernehme keine Verantwortung und keine Haftung für die Inhalte der mit meiner Webseite verknüpften/verlinkten externen Webseiten.

Suche

 

Status


Online seit 6281 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 12. Nov, 12:53

Credits


Aphorismus
Aufgespießtes
Berlin
Bescheidenheit
Bücher
Dummheit
Eifersucht
Erste Saetze
Freundschaft
Frösche
Frühling
Galgenlieder
Geiz
Harz
Herbst
Katzen
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren