Montag, 4. Februar 2008

Winterabend

von Detlev von Liliencron (1844 – 1909)

Wie mag ich gern dem lieben Käuzchen lauschen,
Wenn einsam meine Schreibtischlampe brennt.
Durch Gartenruhe und durch Bäumerauschen
Bin ich von Stadt und aller Welt getrennt,
Und möchte wahrlich nicht mit einem tauschen,
Der nun im Smoking zur Gesellschaft rennt.
Viel netter ists, mit Annmarie zu plauschen,
Die, ach, so zärtlich meinen Namen nennt.

Winterabend

von Alfred Lichtenstein (1889 – 1915)

In gelben Fenstern trinken Schatten heißen Tee.
Sehnsüchtge wiegen sich auf hartem Schimmerteiche.
Arbeiter finden eine sanfte Damenleiche.
Johlende Dunkle werfen glimmend blauen Schnee.

An hohen Stangen hängt, verfleht, ein Streichholzmann.
Kaufläden flackern trüb durch frostbeschlagne Scheiben,
Vor denen Menschenleiber wie Gespenster treiben.
Studenten schneiden ein erfrornes Mädchen an.

Wie lieblich der kristallne Winterabend brennt!
Schon strömt ein Platinmond durch eine Häuserlücke.
Bei grünlichen Laternen unter einer Brücke
Liegt ein Zigeunerweib. Und spielt ein Instrument.

Winterabend

von Gottfried Keller (1819 – 1890)

Schneebleich lag eine Leiche, und es trank
Bei ihr der Totenwächter unverdrossen,
Bis endlich ihm der Himmel aufgeschlossen
Und er berauscht zu ihr aufs Lager sank.

Von rotem Wein den Becher voll und blank
Bot er dem Toten; bald war übergossen
Das Grabgesicht und purpurn überflossen
Das Leichenhemd; so trieb er tollen Schwank.

Die trunkne rote Sonne übergießt
Im Sinken dieses schneeverhüllte Land,
Daß Rosenschein von allen Hügeln fließt;

Von Purpur trieft der Erde Grabgewand,
Doch die verblaßte Leichenlippe tut
Erstarrt sich nimmer auf der roten Flut.

Winterabend

von Anastasius Grün (1808 – 1876)

Eisblumen, starr, kristallen an den Scheiben,
Wie ein Gehege vor der Sturmnacht Tosen,
Sie flüstern mir, indeß sie Flimmer stäuben:
Wir sind die Geister schöner Frühlingsrosen!

Schneeflocken wirbeln hin mit weißem Glanze!
Es pochen leis' ans Fenster die versprühten,
Mir lispelnd flüchtig im Vorübertanze:
Wir sind die Geister duft'ger Frühlingsblüthen!

Gefühle steigen auf in meiner Seele,
Wie beim Verklingen ferner Sterbeglocken,
Die bange Wehmuthseufzer meiner Kehle
Und reiche Thränen meinem Aug' entlocken;

Sie aber singen sanft mir ins Gemüthe:
Wir sind die sel'gen Geister deiner Lieben,
Mit denen du durchwallt des Frühlings Blüthe,
Auf deren Grab nun diese Flocken stieben!

Winterabend

von Theodor Fontane (1819 – 1898)

Da draußen schneit es: Schneegeflimmer
Wies heute mir den Weg zu dir;
Ein tret' ich in dein traulich Zimmer,
Und warm ans Herze fliegst du mir –
Ab schüttl' ich jetzt die Winterflocken,
Ab schüttl' ich hinterdrein die Welt,
Nur leise noch von Schlittenglocken
Ein ferner Klang herübergellt.

"Nun aber komm, nun laß uns plaudern
Vom eignen Herd, von Hof und Haus!"
Da baust du lachend, ohne Zaudern,
Bis unters Dach die Zukunft aus;
Du hängst an meines Zimmers Wände
All meine Lieblingsschilderein,
Ich seh's und streck' danach die Hände,
Als müss' es wahr und wirklich sein.

So flieht des Abends schöne Stunde,
Vom fernen Turm tönt's Mitternacht,
Die Mutter schläft, in stiller Runde
Nur noch die Wanduhr pickt und wacht.
Ade, ade! von warmen Lippen
Ein Kuß noch, – dann in Nacht hinein:
Das Leben lacht, trotz Sturm und Klippen,
Nur Steurer muß die Liebe sein.

Rosenmontag

von Otto Erich Hartleben (1864 – 1905)

Am Rosenmontag liegen zwei,
die kalten Hände noch verschlungen –
das Leben strömte rauh vorbei,
die beiden haben's nicht bezwungen.

Als überwunden grüssen sie
den Sieger, dem das Glück begegnet –
im Tod verbunden, segnen sie
all jene, die das Leben segnet.

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HELMUT ZEH

† 1. Juli 2005

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